KTT Heilbronn: Nach dem Klassenerhalt ist vor dem Klassenerhalt

Autor: Ralf Scherlinzky

16. Januar 2018

Am 18. November 2017 war es amtlich: Das KunstTurnTeam Heilbronn – kurz KTT – hatte sein Saisonziel erreicht und den Klassenerhalt in der ersten Bundesliga vollends unter Dach und Fach gebracht.
Dass in der Premierensaison nicht mehr als der Klassenerhalt zu erwarten war, darüber waren sich die Verantwortlichen von vorneherein klar gewesen. Schon vor der Saison wurde der Heim-Wettkampf am 11. November gegen den TSV Monheim zum Showdown um den Klassenerhalt ausgerufen – und was die 550 Zuschauer an diesem Tag in der Römerhalle erlebten, war dann auch Bundesliga-Überlebenskampf pur mit Spannung bis zum letzten Gerät. Eine 5er-Wertung von Fabian Geyer bei der letzten Barren-Übung brachte das KTT letztendlich auf die Siegerstraße.

Doch auch wenn man am Ende gegen Monheim über einen 37:28-Sieg jubeln konnte – es bestand immer noch die theoretische Chance, dass man den fast sicheren Klassenerhalt am letzten Wettkampftag noch verspielen könnte. Bei einer hohen KTT-Niederlage in Stuttgart und einem gleichzeitigen Monheimer Sieg gegen den SC Cottbus hätte es nochmal eng werden können, weshalb die Rechenschieber im Heilbronner Lager fast nicht mehr zur Ruhe kamen und man während des Wettkampfes beim MTV Stuttgart mehr auf den Liveticker der Deutschen Turn-Liga schaute als auf die Sportler an den Geräten.

Zur eigenen Überraschung hatten die KTT-Turner ihre Nervosität abgelegt, waren total fokussiert in den Wettkampf gegangen und hatten mit dem Boden und dem Pauschenpferd gleich die ersten beiden Geräte für sich entschieden, während Cottbus parallel in Monheim punktete und damit den Klassenerhalt des KTT schon frühzeitig perfekt machte.

Nachdem der Erfolg nun eingetütet war, folgte die Kür – in Form eines nie für möglich gehaltenen 36:32-Sieges.

„Das war ein absolut fantastischer Sieg“ schwärmte der Brite Reiss Beckford nach dem Wettkampf. „Nachdem wir schon früh wussten, dass wir gewonnen haben, konnten wir ohne Druck turnen. Das hat riesigen Spaß gemacht.“

„Oldie“ Thomas Andergassen, mit 37 Jahren der Senior im Team und lange selbst für den MTV Stuttgart aktiv, dachte im Angesicht des Klassenerhalts vor allem an den kurz zuvor verstorbenen Turngau-Präsidenten René Lachmund: „Es war Renés Traum, dass das KTT erstklassig bleibt. Er hätte sich über das, was hier passiert ist, riesig gefreut. Wir haben nicht nur für uns, sondern auch für ihn geturnt.“

Viel Zeit, um sich auf dem Erreichten auszuruhen, bleibt den Verantwortlichen allerdings nicht – denn die neue Saison startet diesmal nicht erst im Mai, sondern bereits am 3. März. Während für die Sponsorenakquise die Zeit bis zum ersten Wettkampf komplett ausgenutzt werden wird, war die sportliche Planung bereits Mitte Januar nahezu abgeschlossen. Wie sich der Mannschaftskader zusammensetzt und welche Ziele das KTT Heilbronn in der Saison 2018 hat, darüber haben wir mit Taktiktrainer Rainer Arnold gesprochen.

Was dürfen die Zuschauer in der neuen Saison vom KTT Heilbronn erwarten?
Rainer Arnold: Man könnte sagen, dass nach dem Klassenerhalt vor dem Klassenerhalt ist. Nur wollen wir diesen jetzt nicht erst in den letzten beiden Wettkämpfen klar machen. Unser Ziel ist es, zum Ende der ersten Saisonhälfte bereits den Klassenverbleib sicher zu haben. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber wenn alles normal läuft, werden wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Erschwert wird es allerdings dadurch, dass mit dem Wiederaufsteiger TV Wetzgau ein finanzstarkes Team in die Liga kommt, das um das kleine Finale mitturnen und nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird.

Das klingt nach ein paar Neuzugängen. Wer kommt denn alles neu zum KTT?
Rainer Arnold: Das mag vielleicht so klingen, aber wir werden fast mit dem gleichen Team an den Start gehen, mit dem wir die Saison beendet haben. Nur Julian Weller verlässt uns in Richtung Stuttgart. Mit dem 17-jährigen Nachwuchstalent Jacob Hofmann aus Stuttgart haben wir dafür einen Neuzugang, den wir an die Bundesliga heranführen – ähnlich wie wir es in der letzten Saison mit Julian Weller gemacht hatten. Eventuell tut sich noch etwas auf den Ausländerpositionen. Unsere Wettkampftermine liegen etwas ungeschickt, denn da sind viele internationale Turniere und es wird deshalb schwierig, unsere ausländischen Turner nach Heilbronn zu bekommen. Dazu kommt, dass Eddie Penev direkt drei Tage nach dem Wettkampf in Stuttgart an der Schulter operiert wurde und definitiv in der ersten Saisonhälfte ausfallen wird.

Wie wollt ihr es schaffen, mit dem gleichen Team, das letzte Saison bis zum Schluss zittern musste und teilweise hoch verloren hat, frühzeitig den Verbleib in der Bundesliga zu sichern?
Rainer Arnold: Hier wird sich – hoffentlich – unsere Philosophie der letzten Jahre auszahlen, mit jungen Leuten an den Start zu gehen. Denn diese entwickeln sich von Wettkampf zu Wettkampf weiter. Letzte Saison haben Turner wie Carlo Hörr und Fabian Geyer schon von der ersten zur zweiten Saisonhälfte Quantensprünge in ihrer Leistung gemacht. Bei ihnen ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Ein großer Vorteil gegenüber der Konkurrenz ist auch unsere zweite Mannschaft, die in die Verbandsliga aufgestiegen ist. Denn die Leute, die voraussichtlich weniger Einsätze in der Bundesliga bekommen werden, können dort dennoch auf einem ordentlichen Niveau Wettkampfpraxis sammeln und dann in die erste Mannschaft aufrücken.

Werden die „Original-Heilbronner“, die vor zwei Jahren einen großen Anteil am Bundesliga-Aufstieg hatten, weiterhin in der Bundesliga zum Einsatz kommen?
Rainer Arnold: Natürlich! Auch wenn, wie in der letzten Saison, die „jungen Wilden“ und die ausländischen Turner die meisten Geräte turnen werden, sind unsere Heilbronner unheimlich wichtig für die Mannschaft – selbst, wenn sie mal nicht eingesetzt werden. Sie sind unheimliche Teamplayer, die realistisch denken und denen bewusst ist, dass die Rollen im Team klar verteilt sind.

Wurden diese „jungen Wilden“ nach den starken Leistungen in der Rückrunde eigentlich auch von anderen Vereinen umworben?
Rainer Arnold: Ja, natürlich. Wir haben in Deutschland keinen Überfluss an guten jungen Turnern und die Konkurrenz schläft nicht. Deshalb freut es uns umso mehr, dass Carlo Hörr und Fabian Geyer in Heilbronn bleiben. Bei Julian Weller hat es leider nicht geklappt.

Wie kann man als vermeintlicher Underdog dann dennoch einen Mann wie Carlo Hörr halten, der sich berechtigte Hoffnungen auf eine Olympia-Teilnahme 2020 macht?
Rainer Arnold: Da gibt es gleich drei Faktoren, die bei den jungen Sportlern in die Entscheidungsfindung eingreifen. Zum einen gibt es natürlich den finanziellen Aspekt, ganz klar. Aber was würde es einem Carlo Hörr bringen, wenn er zu einem Topteam wechselt, bei dem er zwar besser bezahlt wird, das aber mit Stars gespickt ist? Er würde dort kaum zum Einsatz kommen und hätte so keine Chance, um sich durch starke Leistungen für höhere Aufgaben zu empfehlen. Bei uns dagegen bildet er mit seinen 19 Jahren den Kern der Mannschaft und kann bei jedem Wettkampf fünf oder sechs Geräte turnen. Und dann ist da noch der Wohlfühlfaktor, der bei Carlo zusammen mit den vielen Einsätzen letztendlich den Ausschlag für einen Verbleib gegeben hat. In Heilbronn wird er nicht nur als Turner, sondern auch als Mensch geschätzt.

Fotos: Marcel Tschamke