Justin Maylan: „In Kanada träumt jeder junge Spieler von der NHL“

Sie gehören zum deutschen Eishockey wie das Käthchen zu Heilbronn. Ihre technische Stärke und ihre gesunde Härte sind aus den Eishallen des Landes nicht mehr wegzudenken, sie sind das Salz in der Suppe jedes Eishockeyspiels. Die Rede ist von kanadischen Eishockeyprofis, mit deren Leistung der Erfolg eines Teams steht und fällt. Allein im Team der Heilbronner Falken stehen acht Spieler, die ihre Wurzeln in Kanda haben. In der gesamten DEL2 spielen gar weit über 50 Kanadier, auf denen der Druck des Erfolgreichsein-Müssens lastet und die deshalb oftmals während der Saison einfach ausgetauscht und durch einen anderen Landsmann ersetzt werden. Wir haben uns schon lange gefragt, mit welcher Mentalität die oftmals als „Legionäre“ bezeichneten Kanadier ausgestattet sind, was sie dazu antreibt in Deutschland zu spielen, welche Träume sie haben und welche Wendungen ihre Karrieren genommen haben, um sie dorthin zu führen, wo sie jetzt sind. Unser Redakteur Ralf Scherlinzky hat sich deshalb in der Kabine der Heilbronner Falken mit dem am weitesten gereisten Falken-Spieler Justin Maylan getroffen und hat dabei einen sehr sympathischen und bodenständigen Menschen kennengelernt, der den sportheilbronn-Lesern einen tiefen Einblick in seine Eishockey-Vita gibt.

Fotos: Heilbronner Falken GmbH (2), Marcel Tschamke (3)

Autor: Ralf Scherlinzky

16. Januar 2018

In Deutschland hält sich hartnäckig das Gerücht, dass kanadische Jungs bereits mit Schlittschuhen an den Füßen zur Welt kommen. Jetzt haben wir endlich die Chance zu fragen, ob da etwas Wahres dran ist…
Justin Maylan: Also zumindest in meinem Fall war es nicht so. Ich habe zwar schon mit drei Jahren zuhause in Calgary in der Küche mit dem Schläger hantiert, mein Vater hat mich aber erst mit vier, fünf Jahren zum ersten Mal auf Schlittschuhe gestellt und hat schnell bemerkt, dass ich ein gewisses Talent hatte. Eishockey ist in Kanada Sportart Nummer eins und wir haben ein sehr gutes Ausbildungssystem für alle Leistungsklassen. Da ich immer bei den größten Talenten gespielt habe, ist mein Vater, als ich 14 Jahre alt war, mit mir nach Vancouver gegangen, wo ich weiter gefördert wurde. Kurz darauf wurde ich dann von den Moose Jaw Warriors aus Saskatchewan in der ersten Runde des Drafts für die Western Hockey League gezogen. Das war der Moment, an dem ich dachte, hoppla, das könnte etwas werden mit der Karriere als Eishockeyspieler. Ab da habe ich auf die NHL hingearbeitet und habe den Traum gelebt, den jeder junge Eishockeyspieler in Kanada träumt.

Sprich, Tausende von jungen Spielern kämpfen um ein paar wenige Plätze in den NHL-Organisationen. Klingt nach einem steinigen Weg…
Justin Maylan: Oh ja, der Weg ist wirklich steinig, und ob du es schaffst oder nicht, hängt nicht nur vom Talent ab. Da müssen alle Umstände passen – ein Fakt, an dem mein Traum von der NHL letztlich gescheitert ist. Bei den Moose Jaw Warriors hatte ich keinen guten Start. Ich wusste noch nicht wirklich, wie das Leben funktioniert, und die Gastfamilie, bei der ich lebte, war nicht besonders nett. Deshalb war ich froh, dass ich nach British Columbia zu den Price George Cougars getradet wurde. Dort war meine Gastfamilie super, das Team war aber ziemlich schlecht und ich kam in 31 Spielen nur auf 14 Scorerpunkte, weshalb ich nicht für die nächst höhere Juniorenklasse gedraftet wurde.

Wann hast du dann gemerkt, dass es nichts wird mit der NHL-Karriere?
Justin Maylan: Das hat noch recht lange gedauert, zumal ich der NHL doch noch recht nahe kam. Als ich 18 war, wurde ich innerhalb der WHL zu den Prince Albert Raiders getradet, und ab da lief es für mich. Für den NHL-Draft war ich zwar zu alt, ich habe dann aber mit 21 einen Vertrag beim Farmteam der Phoenix Coyotes, den Portland Pirates, bekommen. Doch als ich in Portland angekommen bin, hatten sie gerade eine Siegesserie gestartet und ich hatte keine Chance ins Team zu kommen und konnte nur ein Spiel machen. In dieser Phase war ich schon kurz davor nach Europa zu gehen, weil ich wusste, dass mein Spielstil gut nach Europa passen würde. Doch dann kam kam ein super Angebot aus der ECHL, also bin ich in Nordamerika geblieben. 2013/14 gab es eine weitere – meine letzte – Chance auf die NHL, als mich die Oklahoma City Barons, das Farm Team der Edmonton Oilers, in die AHL geholt hat. Doch in einem AHL-Team gibt es nur sechs Plätze für technische Spieler wie mich, über die man sich für die NHL empfehlen kann – und darum reißen sich Spieler aus der ganzen Welt. Ich war zwar gut, aber nicht gut genug für die ersten beiden Reihen. Das war der Zeitpunkt, wo mir klar war, dass es mit der NHL nichts mehr wird.

Wie kam dann der Wechsel zu Herning Blue Fox in Dänemark zustande?
Justin Maylan: Das spielte sich innerhalb weniger Stunden ab. Ich habe meinem Agenten gesagt, dass ich jetzt nach Europa möchte, und nur wenig später kam er mit dem Angebot aus Dänemark, das ich gleich annahm – auch wenn ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal gewusst hatte, dass in Dänemark auch Eishockey gespielt wird. Als mein Coach in South Carolina davon gehört hat, schmiss er mich sofort raus und ich musste innerhalb weniger Stunden meine Wohnung räumen. Gottseidank war ich zu diesem Zeitpunkt Single, also war ich da flexibel und konnte quasi direkt in den Flieger nach Dänemark steigen.

War Europa dann eine große Umstellung?
Justin Maylan: Erstmal schon. Ich hatte in Herning ein kleines Zimmer, war allein, hatte kein Auto, es regnete ständig, ich habe die Sprache nicht gesprochen und das Training glich im Gegensatz zu Nordamerika eher einem Bootcamp. Zwischendurch habe ich mich gefragt, was ich dort eigentlich mache, doch am Ende der Saison wurde mir bewusst, dass mich das alles sowohl als Spieler als auch als Mensch weitergebracht hat.

Und von dort ging es dann über zwei Stationen in Italien und über Ungarn nach Heilbronn…
Justin Maylan: Genau, und seit Italien genieße ich Europa in vollen Zügen. Ich habe dort im ersten Jahr meine Freundin getroffen, die dann mit mir nach Ungarn gekommen und jetzt glücklicherweise auch in Heilbronn an meiner Seite ist. Ich kenne Spieler, die hier in Europa spielen und deren Frau und Kinder in Kanada sind. Das könnte ich nicht, so weit von den geliebten Menschen weg zu sein.

Wie gefällt es dir in Heilbronn?
Justin Maylan: Meine Freundin und ich sind uns einig, dass Heilbronn bislang die schönste und modernste Stadt ist, in der wir gelebt haben. Heilbronn erinnert mich sehr an zuhause und ich fühle mich hier pudelwohl, zumal auch fast jeder Englisch spricht. Auch die Fans sind fantastisch. Ich könnte mir nicht vorstellen, als Fan ein Team zu unterstützen, das drei, vier Jahre lang immer am Tabellenende stand. Aber sie sind uns treu geblieben, und wir hoffen, dass wir ihnen in dieser Saison einiges zurückzahlen und die Playoffs erreichen können.

Spürst du als einer von vier Spielern im Team, die mit einer Ausländerlizenz spielen, einen besonderen Leistungsdruck?
Justin Maylan: Ja, natürlich. Als Importspieler wirst du geholt, damit du für das Team Spiele gewinnst. Gewinnt das Team, ist alles gut. Verliert es aber, wird zuerst auf die Imports geschaut. Sind sie ihr Geld wert oder gibt es bessere Optionen für ihren Job? Aber das ist Teil des Geschäfts. Wenn man den Vertrag unterschreibt, weiß man, dass man mit dem Druck umgehen muss. Aber ich verhalte mich auf und neben dem Eis professionell und gebe immer mein Bestes, so dass ich mir glaub ich keine Sorgen machen muss. Und falls es mich doch irgendwie treffen sollte, bin ich Profi genug um damit leben zu können.

Du bist jetzt 26 Jahre alt. Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Justin Maylan: Zunächst einmal möchte ich weiterhin von Verletzungen verschont bleiben und noch zehn bis 15 Jahre als Profi Eishockey spielen. Natürlich würde ich gerne in Heilbronn bleiben, es reizt mich aber auch unheimlich, mal noch in Japan zu spielen. Und da ich mich damals in Kanada für Profi-Eishockey und gegen das College entschieden habe, möchte ich noch während meiner aktiven Zeit die Grundlage für das Leben nach dem Eishockey legen. Beruflich würde mich der Aktienmarkt, aber auch die Modebranche interessieren. In England bieten sie Ausbildungsprogramme für Profis an, das werde ich definitv in ein paar Jahren machen. Bis dahin bin ich für alles offen und möchte, mit meiner Freundin an meiner Seite, gerne noch viel von der Welt sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns nach der Karriere dann in ihrer Heimat Italien niederlassen.