Julian Schmiech – Vierfacher Deutscher Meister im Kanu
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, so lautet eine alte Redensart, die exakt auf die Familie Schmiech zutrifft. Julian Schmiech ist, wie einst sein Vater Daniel, im Kanurennsport unterwegs. Der 16-Jährige hatte in der Jugendklasse ein überaus erfolgreiches Jahr 2022. Vier deutsche Meistertitel, zwei Vizemeisterschaften, eine Meisterschaft bei den deutschen Marathonmeisterschaften und ein fünfter Platz bei den Olympic Hope Games – der Trophäenschrank des Schülers benötigt schon bald einen Anbau. Nach überstandener Lungenentzündung bereitet sich der Leingartener von der TSG Heilbronn aktuell auf die nächste Saison vor, um an die Leistung der Vorsaison anknüpfen zu können. Im Interview erzählt er der SPORTHEILBRONN-Redaktion von der abgelaufenen Saison, seinen beruflichen und sportlichen Zielen für die Zukunft und seinem Trainingsalltag.
Autor: Nils Arnold
Mit kraftvollen Schlägen in Richtung Ziellinie – so kennt man Julian Schmiech.
Fotos: privat
Du hast ein sehr erfolgreiches Jahr hinter dir. Nimm uns mal mit in dein Jahr 2022…
Julian Schmiech: Die Saison ging für mich schon sehr gut los. Wir waren bei einer internationalen Regatta in Essen und unser halbes Team hatte Corona. Es wurden jeden Tag weniger und keiner wusste bis kurz vor den Wettkämpfen, wie die Zusammenstellung der Boote aussehen und ob noch jemand ausfallen würde. Die Bedingungen waren nicht einfach und keiner außer mir konnte wirklich gut damit umgehen. Ich habe dann jedes Rennen, in dem ich gestartet bin, gewonnen. Auch Strecken, die ich eigentlich nicht gut kann, wie zum Beispiel die 200 Meter. Bei der nächsten Regatta wurde ich dann von meinem Dauerrivalen Vincent Hoiß, in die Schranken gewiesen. Bei einem weiteren Wettkampf war ich etwas angeschlagen und verpasste sogar das Finale. Das hat mich dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht und gezeigt, dass Essen vielleicht nur eine Momentaufnahme war.
Es ging danach für dich zu den deutschen Meisterschaften. Wie bist du diesen Wettbewerb angegangen?
Julian Schmiech: Vor den deutschen Meisterschaften kamen zunächst noch die deutschen Marathonmeisterschaften. Da konnte ich ein Rennen gewinnen und bin einmal Zweiter geworden. Das hat mir noch einmal Selbstbewusstsein für die deutschen Meisterschaften gegeben. Dort konnte ich die meisten meiner Vor- und Zwischenläufe gewinnen und mich für die Finals qualifizieren. Allerdings war die Verteilung der Wettkämpfe ungünstig. Ich hatte am Samstag vier Rennen über den Tag verteilt. Da war zunächst der Zwischenlauf im Zweier über 1.000 Meter. Dann kam das 1.000 Meter-Finale im Einer, bei dem ich hinter Vincent Hoiß Zweiter wurde. Außerdem musste ich noch zwei Zweier-Finalrennen fahren. Beide Rennen konnte ich mit meinen Partnern gewinnen, aber das 1.000 Meter-Finale am Ende des Tages war wirklich die Hölle. Mit drei Rennen in den Knochen geht einem da irgendwann die Kraft aus, aber wir haben unseren herausgefahrenen Vorsprung irgendwie ins Ziel gerettet. Es war gut, dass mein Partner nicht die gleiche Anzahl an Rennen gefahren war und noch ein paar Körner mehr hatte als ich.
Wie viele Titel konntest du insgesamt gewinnen?
Julian Schmiech: Ich bin insgesamt fünfmal Deutscher Meister und zweimal Vizemeister geworden. Dazu kommt der Titel bei den deutschen Marathonmeisterschaften.
Waren die Titelgewinne dein persönliches Saisonhighlight?
Julian Schmiech: Ich habe mich über den Gewinn der Titel sehr gefreut, aber mein Highlight war die Teilnahme an den Olympic Hope Games. Das ist nochmal ein anderes Gefühl, international fahren fahren zu dürfen und sich mit den Top-Fahrern aus den anderen Ländern messen zu können.
Was sind die Olympic Hope Games und wo haben sie stattgefunden?
Julian Schmiech: Das ist ein internationales Event für junge Kanuten und einer der wichtigsten Wettkämpfe in meiner Altersklasse. Die haben letztes Jahr in Bratislava stattgefunden. Man hatte die Strecke auf einem Seitenarm der Donau angelegt. Da waren super Bedingungen. Um den Fluss waren die Teamzelte der Mannschaften, Stände und Tribünen aufgebaut. Das Schöne war, dass man ganz viel Kontakt zu den anderen Nationen hatte, immer alle auf einem Haufen hingen und man sich auch mit den anderen ausgetauscht hat. Es war einfach eine großartige Erfahrung, die ich gerne noch öfter machen würde.
Gehen wir von der abgelaufenen Saison weg und gucken etwas in die Vergangenheit. Dein Vater war auch ein erfolgreicher Kanute. Bist du durch ihn zum Kanusport gekommen?
Julian Schmiech: Ja, auf jeden Fall. Mein Vater hat mich schon mit sechs oder sieben das erste Mal zum Paddeln mitgenommen.
Hat man direkt gesehen das du das nötige Talent besitzt?
Julian Schmiech: Ich habe glaub ich schon im jungen Alter ein recht gutes Tempo gehabt. Wobei man sagen muss, dass ich nie der Überflieger war, der ein Rennen nach dem anderen gewonnen hat. Ich habe eher dritte und vierte Plätze eingefahren. Das war für meine Entwicklung aber nicht so schlecht, weil ich an mir arbeiten und mich verbessern musste, um gewinnen zu können.
Hast du dann angefangen mehr zu trainieren als die anderen, damit du Siege einfahren konntest?
Julian Schmiech: Nicht unbedingt mehr, aber härter als die anderen. Ich merke aber, dass ich langsam auch das Trainingspensum erhöhen muss, da ich in Sachen Ausdauer und Paddeln ein paar Defizite habe. Vor allem die Athleten, die auf ein Sportinternat gehen, haben mehr Trainingszeit, gerade was die Wassereinheiten angeht. Zurzeit ist es schwierig regelmäßig auf dem Wasser zu sein, da es um 17 Uhr dunkel wird und man nach Einbruch der Dunkelheit Probleme mit der Wasserschutzpolizei bekommt.
Du trainierst noch hier in Heilbronn?
Julian Schmiech: Ja ich bin noch hier in Heilbronn.
Gab es bei dir die Überlegung auf ein Internat zu wechseln?
Julian Schmiech: Ja, die ist im Winter schon aufgekommen. Ich habe mich aber erstmal dagegen entschieden, weil es in der letzten Saison auch von hier aus gut lief und ich die Schule gerne in Heilbronn beenden würde. Das Elly-Heuss-Knapp Gymnasium unterstützt mich voll und hat mir durch Befreiungen und Privilegien vieles erst möglich gemacht. Auf dem Internat hat man besser Möglichkeiten aufs Wasser zu gehen. Ich brauche beim Training allerdings meine Freiheiten, weil ich die Einheiten gerne variiere. Das würde mir auf einem Internat verloren gehen.
Wie groß ist der Trainingsaufwand in der Woche für dich?
Julian Schmiech: Ich mache meistens zwei Einheiten am Tag. Am Wochenende sind es auch mal drei. Dazu kommt ein Pausentag, an dem ich nichts mache. In der Saison kommen zu den Einheiten auch noch tägliches Paddeln und ein paar Tests. Die gesamten Ferien gehen immer für Trainingslager drauf. Da gibt es dann auch mal vier Einheiten am Tag. Für mich ist wichtig, dass das Training abwechslungsreich ist. Ich gehe gerne zwischendurch eine Runde laufen, ins Fitnessstudio oder mache zuhause mein Krafttraining.
Du hast eben schon das Thema Schule angesprochen. Wie lange gehst du noch zur Schule?
Julian Schmiech: Ich bin jetzt in der elften Klasse und mache voraussichtlich in eineinhalb Jahren mein Abitur.
In welche Richtung soll es nach der Schule gehen?
Julian Schmiech: Ich brauche auf jeden Fall etwas, wo ich mich bewegen kann. Ein klassischer Bürojob wäre nichts für mich. Zurzeit überlege ich nach der Schule zur Polizei zu gehen. Da hat man als Leistungssportler einen Vorteil, weil es einem neben der sportlichen Karriere ein festes Einkommen beschert. Vom Paddeln alleine kann man auf keinen Fall leben.
Und was sind die sportlichen Ziele?
Julian Schmiech: Das weiß ich noch nicht. Ich peile als nächstes die Juniorenweltmeisterschaft 2024 an. In der anstehenden Saison könnte es für mich schwierig werde, weil ich gegen ein Jahr ältere Gegner fahren muss. Deshalb versuche ich dieses Jahr dranzubleiben und nicht abreißen zu lassen, um dann in der Saison danach wieder vollanzugreifen, wenn ich zum älteren Jahrgang gehöre.
Ist Olympia ein Ziel, das du anpeilst?
Julian Schmiech: Da wollen alle natürlich mal hin. Ich denke aber lieber in kleinen Zielen. Der nächste Schritt ist die Qualifikation für die Nationalmannschaft. Olympia steht erst am Ende einer ganz langen Liste an Zwischenzielen.