Josef Matousek: Der Mann, der das Eishockey nach Heilbronn brachte

Da staunte unser Chefredakteur Ralf Scherlinzky nicht schlecht, als Anfang dieses Jahres sein Telefon klingelte und sich ein Mann am anderen Ende der Leitung meldete, dessen Name unwiederbringlich mit der Einführung des Eishockeysports in Heilbronn verbunden ist, der aber seit Jahrzehnten verschollen schien. „Hier ist Josef Matousek. Ich habe in SPORTHEILBRONN-Ausgabe 15 die Geschichte ‚Wie das Eishockey einst nach Heilbronn kam‘ gelesen und möchte ein paar Dinge richtigstellen“, sagte der Anrufer mit unverkennbar tschechischem Akzent. Drei Wochen später fand bei Josef Matousek in Weinsberg ein erstes Treffen statt, bei dem der inzwischen 79-Jährige ehemalige Spielertrainer des REV Heilbronn von einigen historischen Momenten erzählte, die den Grundstein für die heutige Sportart Nummer eins in Heilbronn legten…

Autor: Ralf Scherlinzky

26. April 2022

Die tollkühnen Männer mit ihren hölzernen Schlägern 1980 bei einem Freundschaftsspiel in Köln: Hinten von links: Josef Egwolf, Fred Rehbein, Reinhard Dürrschmidt, Josef Matousek, Leander Glinz, Paul Köhler. Vorne von links: Oskar Moser, Robert Morgenstern, Philipp Higgs, Frank Zehetner, Reinhard Zehetner, Alexander Felsing, Josef Schalkowski

Fotos: Privat

„Also eines mal gleich vorweg: Ich war nie Nationalspieler“, schmunzelt Josef Matousek und spielt auf unseren Magazinbeitrag an, in dem der langjährige Vorstand des Heilbronner EC Dieter Rahmer vom „ehemaligen tschechoslowakischen Nationalspieler Matousek“ berichtet hatte. „Dafür hatte ich schon mit 16 Jahren mit einer Sondergenehmigung bei uns in der West-Tschechei bei Sporthockey Zbiroh in der ersten Mannschaft gespielt, ehe ich 1968 mit 25 nach Deutschland geflüchtet bin.“

Rund zehn Jahre lang pendelte Josef Matousek mit Freunden und Familie im Winter von Weinsberg nach Löwenstein, um auf dem zugefrorenen Bleichsee Eishockey zu spielen. „Sobald das Eis fest gefroren war, haben wir die Pumpe mitgenommen, um weiteres Wasser auf dem rauen Natureis zu vergießen. Am nächsten Tag war das Eis perfekt zum Eishockeyspielen“, erinnert er sich.

Josef Matousek heute mit 79 Jahren

Als dann im Jahr 1979 sowohl in Heilbronn als auch in Neckarsulm Eishallen gebaut wurden, freute sich der damals 36-Jährige, dass er schon bald wieder auf Kunsteis skaten konnte. Regelmäßig ging er in der neuen Heilbronner Eishalle schlittschuhlaufen – immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass man dort doch eigentlich mit Eishockey beginnen könnte.

Dann kam durch einen glücklichen Zufall der Augenblick, der sich später als der Moment entpuppen sollte, der den Grundstein für das Eishockey in Heilbronn gelegt hat: „Ich war mit den Schlittschuhen auf dem Eis und habe an der Bande einen Mann stehen sehen, von dem ich wusste, dass er die Eishalle managt. Ich habe ihn angesprochen und ihm gesagt, wenn hier in der Halle mal Eishockey gespielt werden sollte, wäre ich gerne dabei. Er hat gleich abgewunken und gemeint, die Halle sei nicht für Eishockey gebaut. Hier werde nie Eishockey gespielt. Der glückliche Zufall war dann aber, dass neben ihm ein anderer Mann stand, der unser kurzes Gespräch mit angehört hatte. Er drehte sich um und sagte Eishockey? Eine gute Idee. Kommen Sie mit mir mit und lassen Sie uns darüber reden“, erzählt Josef Matousek.

Dieser Mann war Fritz Wieland, der Vorstand des REV Heilbronn. Er hatte verstanden, was sich dem Betriebsleiter des damaligen Hallenpächters Tennis- und Skischule Schwaben nicht erschlossen hatte: Im Fußball war der VfR Heilbronn kurz zuvor aus der zweiten Bundesliga abgestiegen und hatte sich relativ erfolglos in den Niederungen der Amateurligen festgespielt – eine Situation, die wie dafür geschaffen war, eine neue Sportart zu etablieren. „Herr Wieland hat zu mir gesagt, bringen Sie die Leute zusammen, dann gründen wir im REV Heilbronn eine neue Eishockey-Abteilung“, so Matousek.

Gesagt, getan. Über eine Anzeige in der Heilbronner Stimme ging der neue „Macher“ auf Spielersuche – mit Erfolg, denn schon beim ersten Training kamen 30 junge Männer zusammen, die Eishockey spielen wollten. Josef Matousek erinnert sich kopfschüttelnd: „Wir sind beim normalen Publikumslauf mit aufs Eis gegangen und da standen lauter motivierte Kerle, die null Ahnung hatten, wie man Eishockey spielt. Ich habe schnell gesehen, dass das so nichts wird. Es waren nur zwei Leute dabei, mit denen man wirklich etwas anfangen konnte. Also habe ich ein paar tschechische Freunde angerufen, die in der Region gewohnt haben. Sie kamen zu viert zum nächsten Training und brachten vier russischstämmige Spieler mit. Dazu hatten wir in den Kasernen der US-Army einen Aushang am schwarzen Brett gemacht, dass wir Eishockeyspieler suchen. Von dort kamen mit Fred Rehbein und Robert Thomas zwei richtig gute Spieler, die dann auch noch den Engländer Philipp Higgs mitbrachten.“

Für 40 DM pro Trainingseinheit konnte die bunt zusammengewürfelte Truppe zweimal pro Woche abends ab 22 Uhr aufs Eis gehen. Nach den ersten Freundschaftsspielen kaufte Josef Matousek von seinem eigenen Geld einen Satz Trikots und lud den Oberligisten EHC Stuttgart nach Heilbronn ein. „Das war der zweite wichtige Tag auf dem Weg in den organisierten Spielbetrieb. Wir haben zwar 1:20 verloren, aber wir hatten 800 Zuschauer in der Halle und haben gesehen, dass man hier echt etwas aufbauen kann. An dem Tag kam Werner Neutz auf mich zu und bot seine Unterstützung an. Dank seiner Hilfe konnten wir die Halle eishockeytauglich machen und uns 1981 zum Spielbetrieb anmelden. Er hat erreicht, dass uns die Stadt Heilbronn die Auswärtsfahrten finanzierte und unsere Trainingszeit von 22 auf 20 Uhr vorgezogen wurde“, schwärmt Josef Matousek, der für den Ligabetrieb in Füssen den Trainerschein machte und das Team mit 38 Jahren als Spielertrainer führte.

Nachdem man gleich im ersten Jahr in die Landesliga aufgestiegen war, trat Matousek nach und nach kürzer: „1984 haben wir Zwillinge bekommen und ich musste immer schon ab 6 Uhr arbeiten. Deshalb habe ich dann irgendwann aufgehört. Da waren dann auch andere Leute da, die sich immer mehr einbrachten und für mich übernommen haben.“

1987 wanderte Josef Matousek mit seiner Familie nach Australien aus und gründete dort mit drei Partnern ein Werkzeugbau-Unternehmen. Auch dort ließ ihn der Sport erstmal nicht los, denn seine Tochter heiratete in Melbourne den Torhüter der australischen Eishockey-Nationalmannschaft. Inzwischen zweimal geschieden, lebt er nun seit über 20 Jahren mit seiner ehemaligen Arbeitskollegin aus Sülzbach, Meta Hartmann, zusammen, die die Anfangszeiten des Heilbronner Eishockeys ebenfalls hautnah mitbekommen hatte. 18 Jahre lang pendelten die beiden zwischen Australien (Winter) und Deutschland (Sommer). Durch die Corona-Pandemie waren Reisen nach Australien dann nicht mehr möglich und die beiden wurden in Weinsberg sesshaft.

Das erste Heilbronner Eishockey-Foto: Josef Matousek (rechts) mit den potenziellen Eishockeyspielern, die sich auf eine Anzeige in der Heilbronner Stimme gemeldet hatten.

Heute, mit 79 Jahren, ist Josef Matousek leidenschaftlicher Hobby-Imker. Die vier Kilometer zum Gartengrundstück in Obersulm legt er bevorzugt mit dem Fahrrad, auf Inlinern oder zu Fuß zurück und gibt zu:

 

Seit ich zurück bin, verfolge ich auch wieder das Eishockey in Heilbronn.
Zu sehen, was heute daraus geworden ist, macht mich schon ein bisschen stolz.“