Isabel Leibfried: Pendeln zwischen Job und Leistungssport

2018 wurde Isabel Leibfried (TSG Heilbronn) Deutsche Marathon-Vizemeisterin und hat sich mit diesem Ergebnis in die nationale Spitze katapultiert. Doch die Ziele der 27-Jährigen bleiben bescheiden, denn ihr Job in Sindelfingen lässt keine ambitionierte Zukunftsplanung zu. Unser Redakteur Ralf Scherlinzky hat sich im Bewegungszentrum der TSG Heilbronn mit Isabel Leibfried getroffen, um mit ihr über ihre sportlichen und beruflichen Pläne sowie über ihre Zeit in den USA zu sprechen.

Fotos: Marcel Tschamke (3), Markus Herkert (2)

Autor: Ralf Scherlinzky

24. April 2019

Im April 2018 bist du in Düsseldorf Deutsche Vizemeisterin im Marathonlauf geworden. Stimmt es tatsächlich, dass das erst dein dritter Marathon war?
Isabel Leibfried: Ja, ich war zuvor sogar erst einmal bei einem Marathon ins Ziel gekommen. Das war vor zwei Jahren. Bei meinem zweiten Start hatte ich nach 20 Kilometern abgebrochen. Deshalb hatte mich das Ergebnis in Düsseldorf auch umso mehr überrascht. Ich hätte nie damit gerechnet, unter die Top drei laufen zu können.

Jetzt stehen ja 2020 die nächsten Olympischen Spiele vor der Tür – da liegt die Frage nahe, ob eine Qualifikation für Tokio auf dem Plan steht…
Isabel Leibfried: Es ist leider nicht so, dass die Top drei der Deutschen Meisterschaft automatisch zu Olympia mitgenommen werden. Stattdessen muss eine Norm gelaufen werden, die bei 2:32 Stunden liegt, und das ist schon nochmal eine Hausnummer. Um diese Zeit erreichen zu können, müsste ich aufhören zu arbeiten, um mich zu hundert Prozent auf den Sport zu konzentrieren. Meine Bestzeit liegt bei 2:41,43 Stunden.

Ende April findet wieder die Deutsche Meisterschaft statt. Wie sieht dafür das Ziel aus?
Isabel Leibfried: Mein Ziel ist es, den Marathon so ins Ziel zu bringen, dass ich sagen kann, ich habe alles gegeben. Eine Bestzeit wäre genial, es gibt (fast) nichts Besseres, als sich selbst mit einer neuen Bestleistung für die Arbeit, die man ins Training reinsteckt, zu belohnen. Unter 2:40 Stunden wäre für den Moment echt ein Traum.

2015 und 2016 hattest du dank eines Stipendiums zwei Jahre lang an der St. Louis University studiert. Wie war es dazu gekommen?
Isabel Leibfried: Mein Läuferkollege Simon Stützel vermittelt mit seiner Agentur erfolgreiche Sportler an Unis in die USA. Er hatte mich angesprochen und gemeint, ich hätte gute Chancen auf ein Stipendium. Wir haben ein Video gedreht und über eine Online-Plattform hochgeladen – und plötzlich waren Anfragen von 30, 40 Unis da, die mich in ihrem Team haben wollten. Der Trainer von St. Louis hatte sich am meisten um mich bemüht und ich habe mich dann recht kurzfristig entschieden, an der dortigen Uni meinen Master of Business Administration (MBA) zu machen. Wir hatten dort perfekte Trainingsbedingungen. Die Schule wurde praktisch um den Sport herum gelegt. Die beiden Jahre mit dem Vollstipendium in St. Louis waren absolut unvergesslich!

Und jetzt arbeitest du in Sindelfingen – nicht unbedingt der nächste Weg von Heilbronn…
Isabel Leibfried: Stimmt. Es war nach meiner Rückkehr erstaunlich schwierig einen Job zu finden. Ich hatte zuvor schon in Mosbach meinen Bachelor of Engineering gemacht und bekam teilweise bei Bewerbungsgesprächen zu hören, dass ich überqualifiziert bin. Deshalb musste ich dann auch gleich zugreifen, als mir die Stelle in Sindelfingen angeboten wurde. Ich arbeite dort bei einem kleinen, aber renommierten Unternehmen und bin in der Projektsteuerung für (Hoch-)Bauprojekte eingesetzt – u.a. für die Daimler AG.

Wie lässt sich die räumliche Entfernung mit dem Training vereinbaren?
Isabel Leibfried: Das ist schwierig, da mein Trainer Holger Freudenberger in Heilbronn ist und ich allein in Sindelfingen trainieren muss. Meist trainiere ich morgens ab 6 Uhr und abends nach 18 Uhr, aber es ist eine Herausforderung sich zu motivieren, wenn man allein ist. Deshalb pendle ich auch mindestens zweimal pro Woche zum Training nach Heilbronn.

Das klingt nicht nach einer idealen Lösung…
Isabel Leibfried: Nein, das ist alles nicht ideal und ich möchte wieder nach Hause zurückkehren. Deshalb schaue ich mich gerade nach Arbeitsstellen um – am besten in Teilzeit mit 60 bis 80 Prozent, damit noch etwas Zeit für den Sport bleibt. Mein Bachelor im Wirtschaftsingenieurwesen und mein MBA sind sehr allgemein gehalten, so dass ich offen für jegliche Branchen bin. Da mir das strategische Denken liegt, wäre eine Stelle im Bereich Projektmanagement super.