Hygienekonzepte für Sport mit Fans: Was steckt alles dahinter?

„Hygienekonzept“ – dies ist das derzeit wohl meistbenutzte Wort, wenn es um Sportveranstaltungen mit Zuschauern geht. Die Wortschöpfung hat sich mehr und mehr in unserem Sprachgebrauch breit gemacht – doch was steckt eigentlich dahinter? Wir haben bei dem Mann nachgefragt, bei dem sämtliche Hygienekonzepte für Sportveranstaltungen in Heilbronn zusammenlaufen. Altin Zhegrova, seit März 2020 Leiter der Sportabteilung im Schul-, Kultur- und Sportamt Heilbronn, hat sich innerhalb kürzester Zeit zum gefragten Ansprechpartner der Vereine für alle Themen rund um Corona entwickelt. „Wir sind momentan der Dienstleister Nummer eins für den Sport“, sagt der 29-Jährige, der zur Zeit in den Heilbronner Hallen und auf den Sportplätzen allgegenwärtig ist, um den Verantwortlichen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Bei unserem Besuch im Schul-, Kultur- und Sportamt ist der ehemalige Fußballspieler unserem Redakteur Ralf Scherlinzky zum Thema Hygienekonzepte Rede und Antwort gestanden.

Fotos: Ralf Scherlinzky, Paulina Wolf, Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

29. Oktober 2020

Fangen wir gleich mal mit der vermeintlich einfachsten Frage an: Was genau ist ein Hygienekonzept und wie sieht es aus?
Altin Zhegrova: Die einfachste Frage ist hier gleichzeitig die Schwierigste, denn sie lässt sich nicht pauschal beantworten. Ein Hygienekonzept im Sport ist quasi der Leitfaden für einen Verein, mit welchen Maßnahmen er seine Veranstaltung so durchführen kann, dass möglichst viele Zuschauer dabei sein können, ohne gleichzeitig Gefahr zu laufen, dass sie sich mit dem Corona-Virus anstecken. Ein einheitliches Konzept, das überall funktioniert, gibt es leider nicht. Hier spielen so viele Faktoren mit rein, dass tatsächlich jeder Veranstalter ein eigenes Hygienekonzept erstellen muss: Möchte er beispielsweise 50 oder 300 Leute reinlassen, gibt es gastronomische Angebote, wo sind die Essensstände und wo die
Toiletten, wo stehen die Leute in der Pause… Es sind vor allem diese räumlichen Geschichten, die allen Beteiligten das Leben schwer machen.

Dabei lässt der Begriff Hygienekonzept vor allem darauf schließen, dass es um die Maskenpflicht und um Abstände geht…
Altin Zhegrova: Natürlich geht es auch darum. Aber das sind Standardthemen, die bereits in den meisten Köpfen drin sind. Dass bis zum Sitzplatz ein Mund- und Nasenschutz getragen werden muss, dass man sich die Hände wäscht und desinfiziert, dass man Abstand zu anderen hält – diese Dinge sind inzwischen mehr oder weniger selbstverständlich, aber natürlich müssen auch sie feste Bestandteile eines Hygienekonzepts sein.

In der letzten SPORTHEILBRONN-Ausgabe hatten wir darüber berichtet, dass das Schul-, Kultur- und Sportamt von den Vereinen schon bei der Rückkehr in den Trainingsbetrieb ein eigenes Hygienekonzept verlangt hat, obwohl dies damals noch nicht vorgeschrieben war. Inzwischen sind Hygienekonzepte auch „von oben“ zur Pflicht geworden. Ein Vorteil für die Heilbronner Sportveranstalter?
Altin Zhegrova: Stimmt, wir waren eine der wenigen Kommunen in Baden-Württemberg, die diesen Weg gegangen sind. Zum einen wollten wir zusammen mit dem Gesundheits- und Ordnungsamt einen Überblick haben, was in den Hallen und auf den Sportplätzen der Stadt vor sich geht. Zum anderen wollten wir den Vereinen aber auch die Sicherheit geben, dass das, was sie machen, von den Ämtern geprüft wurde. Nachdem Hygienekonzepte nun mit der Rückkehr der Zuschauer verpflichtend wurden, hatten die Vereine und die Stadt Heilbronn schon eine gute Grundlage und gute Erfahrungen damit. Die meisten Themen waren bereits Bestandteil der Konzepte, so dass in den meisten Fällen nur noch das bestehende Trainingskonzept um die Regelungen bei Sportwettkämpfen und Sportveranstaltungen der Corona-Verordnung Sport erweitert werden mussten.

Das Hauptproblem dürfte dabei sein, dass die Zuschauer die Abstände einhalten, oder?
Altin Zhegrova: Genau. Deshalb ist es wichtig, die Laufwege der Besucher vor, während und nach der Veranstaltung zu kennen. Die Wege der Zuschauer sollen sich möglichst gar nicht kreuzen, damit es so wenige Begegnungen wie möglich gibt. Im Idealfall gibt es sowohl am Eingang als auch bei Gastronomie und Toiletten eine Trennung der Personenströme – auf einem Weg rein, auf einem anderen raus. Bei Sportanlagen mit nur einem Ein- bzw. Ausgang geht das natürlich nicht. Dort entstehen Schwellenpunkte, an denen jeder irgendwie vorbei muss. Hier ist dann die Maskenpflicht umso wichtiger, damit man sich gegenseitig schützt. Wir achten bei der Begutachtung der Konzepte zudem darauf, dass es keine Durchmischung von Sportlern und Zuschauern gibt. Deshalb ist beispielsweise auch kein Abklatschen nach Spielende erlaubt.

Bei den ersten Veranstaltungen, die mit Zuschauern stattgefunden haben, sah man nicht selten größere Gruppen beisammen sitzen. Inzwischen aber werden sogar Paare, die gemeinsam Eishockey-, Handball- oder Basketballspiele besuchen, 1,50 Meter auseinander gesetzt. Ist man hier übervorsichtig geworden?
Altin Zhegrova: Nein, der Abstand von 1,50 Metern ist Teil der Sportverordnung des Landes, die bis zum 31. Januar 2021 gilt. Anfangs war aus der Verordnung noch nicht ganz klar hervorgegangen, ob man im Sport, analog zur Gastronomie, mit bis zu 20 Personen ohne Abstand zusammensitzen darf. Hier kam inzwischen aber eine Richtigstellung über den Städtetag, die klar den Abstand von 1,50 Metern zwischen zwei Personen vorschreibt, wenn diese nicht im selben Haushalt leben oder ersten Grades verwandt sind.

So richtig durchgängig kommt uns das aber nicht vor. Konstruieren wir doch mal einen Fall, der so durchaus vorstellbar wäre: Eine Gruppe von 20 Freunden geht am Sonntagnachmittag gemeinsam Essen. Danach fährt man in vier Autos à fünf Personen zur Eishalle, um ein Heimspiel der Heilbronner Falken zu besuchen. Auf der Tribüne müssen dann aber, obwohl man vorher erlaubterweise gemeinsam unterwegs war, alle 1,50 Meter Abstand einhalten, um sich nicht gegenseitig anzustecken. Und in der Pause dürfen sie möglichst auch nicht zusammenstehen und sich unterhalten. Wo liegt hier die Logik?
Altin Zhegrova: Es ist klar, dass es aufgrund der Komplexität des Themas und der vielen unterschiedlichen Lebensbereiche manchmal zu Irritationen und nicht ganz eindeutigen Regelungen oder Richtlinien kommen kann. Diese können dann auch mal zu Diskussionen führen. Jedoch ist grundsätzlich zu sagen, dass alle Verordnungen dabei helfen, dass wir gut mit der aktuellen Krise umgehen können. Vor Ort ist das in den wenigsten Fällen ein Thema und die Besucher bringen den Veranstaltern sehr viel Verständnis entgegen. Letztendlich sind wir doch alle froh, dass der Sport wieder läuft. Wenn ich nach sechs Monaten Corona als Zuschauer eine Veranstaltung besuche, weiß ich, dass besondere Regeln herrschen, und richte mich vernünftigerweise danach.

Wie können die Veranstalter dafür sorgen, dass die Abstände auf den Tribünen zuverlässig eingehalten werden?
Altin Zhegrova: Generell gibt es in den Hallen keine Stehplätze mehr und jeder Zuschauer bekommt einen festen Platz zugewiesen. Onlineticketing-Anbieter haben hier eine recht gute Systematik entwickelt. Bei der Buchung werden automatisch in jede Richtung zwei oder drei Plätze geblockt, die dann zum nächsten Zuschauer freigehalten werden. Gleichzeitig müssen für alle gebuchten Plätze online die persönlichen Daten der jeweiligen Personen angegeben werden, was den Veranstaltern die Dokumentationspflicht für die Nachverfolgung von Infektionsketten abnimmt.

Für Hallensportarten ist das eine gute Lösung. Wie sieht es aber bei Veranstaltungen im Freien aus? Nicht jeder Kreisliga-Fußballverein hat eine Tribüne, auf der er Sitzplätze nummerieren kann.
Altin Zhegrova: Im Außenbereich ist es tatsächlich schwieriger, die Besucher auseinander zu halten. Aber auch hier haben die Vereine durch die Bank ihre Hausaufgaben gemacht und auf den Barrieren bzw. den Banden am Spielfeldrand markiert, wo jemand stehen darf und wo nicht.

Wie schaut der Prozess aus, wenn ein Verein sein Hygienekonzept beim Schul-, Kultur- und Sportamt einreicht?
Altin Zhegrova: Wir genehmigen grundsätzlich keine Konzepte, sondern geben nur unsere Bewertung dazu ab, wie in dem jeweiligen Konzept die Richtlinien der Verordnung umgesetzt werden. Aber genau das gibt den Vereinen die Sicherheit, insofern richten sie sich eigentlich durchgehend nach unseren Empfehlungen. Der Ablauf ist immer ähnlich. In den letzten Monaten haben wir zwar eine gewisse Kompetenz angesammelt, aber im Normalfall stimmen wir uns mit dem Ordnungs- und Gesundheitsamt ab. Wir haben hier ein kleines Komittee gebildet – einfach deshalb, weil sechs Augen mehr sehen als zwei. Unser oberstes Ziel ist, dass der Sport schnellstmöglich wieder auf die Beine kommt und wir für jeden Veranstalter individuell die Möglichkeiten der Öffnung voll ausschöpfen. Aber auf der anderen Seite kommen die Verordnungen vom Kultus- und Sozialministerium des Landes, und davon können wir nicht abweichen. Sprich, wir winken keinen Verein einfach nach dem Motto „wird schon irgendwie gehen“ durch. Unser Job ist es, die Gefahren zu minimieren. Deshalb sind wir konsequent und gehen die Konzepte sehr sorgfältig durch. Ich muss an dieser Stelle aber auch mal eine Lanze für die Vereine brechen: Sie erstellen ihre Hygienekonzepte wohl überlegt und sehr detailliert. Wir hatten keinen einzigen Fall, in dem der Verein komplett daneben lag.

In den letzten Wochen sind wir uns bei den verschiedensten Sportveranstaltungen in Heilbronn über den Weg gelaufen. Die Vereine kennen und schätzen Altin Zhegrova nicht nur vom Telefon oder von der Mail, sondern von persönlichen Treffen in der Halle oder im Stadion. Das klingt nach vielen Überstunden…
Altin Zhegrova: Natürlich ist es ein großer Aufwand und ich weiß nicht, wieviele Sportanlagen ich in den letzten Wochen gesehen habe. Aber es ist wichtig, die Vereine nicht unnötig lange warten zu lassen. Deshalb ist es am einfachsten hinzufahren, mit den Leuten zu sprechen und die Umsetzung der Konzepte in der Praxis anzuschauen. Ich mache meinen Job am besten, wenn der Sport möglichst gut dasteht – und momentan steht er glaub ich nicht so schlecht da. Und auf der anderen Seite ist ja auch ein bisschen Hobby dabei, denn ich komme ja selbst aus dem Sport und interessiere mich für die verschiedensten Sportarten. Dennoch hoffe ich darauf, dass ich schon möglichst bald wieder als „normaler“ Zuschauer Events ohne Einschränkungen besuchen kann.