GT-Racing in Zeiten von Corona: Publikumsmagnet ohne Zuschauer
Sei es in der Langstreckenserie auf der Nürburgring-Nordschleife, wo Patrick Assenheimer seine Runden dreht, oder in der GT Masters-Serie, in der Markus Pommer um die nötigen Zehntelsekunden fährt – beide Serien locken in normalen Zeiten die Fans in Scharen an die Rennstrecken. Doch auch der Rennsport muss in Corona-Zeiten die gewohnten Pfade verlassen, um möglichst schnell den Weg zurück zu finden. Analog zu den „Geisterspielen“ der Fußball-Bundesliga ist die Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) Ende Juni mit einem „Geisterrennen“ auf die Nordschleife zurückgekehrt – und hat damit den Weg für andere Serien geebnet. Patrick Assenheimer war am Tag vor unserem Interview mitten im Renngeschehen dabei, während Markus Pommer nach ersten Testfahrten mit noch angezogener Handbremse auf den Saisonstart der ADAC GT Masters hinfieberte. Die beiden haben unserer Redaktion von ihrem „Weg zurück“ berichtet…
Fotos: Marcel Tschamke
Autor: Ralf Scherlinzky
Im Juni konntet ihr endlich wieder in eure Autos steigen. Wie groß war bei euch beiden die Erleichterung?
Markus Pommer: Die Wartezeit war schon extrem lang und ich hatte, seit ich damals Kart gefahren bin, keine so lange Pause mehr. Normalerweise hätten wir zu diesem Zeitpunkt schon die ersten Renntage gefahren und an die zehn Mal getestet. Jetzt bei 30 Grad Luft- und 50 Grad Asphalttemperatur zum ersten Mal auf die Strecke zu gehen, war schon etwas gewöhnungsbedürftig. Aber nach einer so langen Pause freut man sich natürlich umso mehr, wenn es wieder losgeht.
Patrick Assenheimer: Bei mir war die Pause nicht so lang wie bei Markus. Ich bin ja im Januar in Dubai und im Februar in Australien gefahren und war zwei Tage vor dem Lockdown noch zum Testen in Südfrankreich. Klar, durch die ganze Corona-Situation hatte ich jetzt auch nicht so viel Fahrzeit wie erhofft. Aber beim Wiedereinstieg kommt man verblüffend schnell wieder in die ganzen Abläufe rein.
Patrick, du hattest ja nun Ende Juni bereits das erste Rennen auf der Nordschleife. Wie muss man sich das vorstellen mit all den Hygiene- und Abstandsregeln?
Patrick Assenheimer: Das war schon ein ausgeklügeltes Konzept, um bei 139 teilnehmenden Fahrzeugen die Kontakte zu minimieren und Abstände einzuhalten. Die eigentlichen Boxen, in denen man sonst auf relativ engem Raum beisammen ist, waren gesperrt. Die Boxengasse wurde in das Fahrerlager verlegt. Zum Stopp sind wir durch die normale Boxeneinfahrt, durch Box 1 hindurch ins Fahrerlager, in einer Schleife mit Wendekreisel durch das Fahrerlager gefahren, wo die einzelnen Teams Parzellen zur Verfügung hatten. Und durch Box 2 ging es dann wieder zurück auf die Strecke. Im Fahrerlager war der Zugang strikt beschränkt und es durften nur wenige Mitarbeiter des Teams am Fahrzeug arbeiten. Wir Fahrer haben uns im Trailer komplett angezogen, bereits mit Sturmhaube und Helm, für den Weg zum Auto.
Markus Pommer: Die GT Masters hat sich das genau angeschaut und ich gehe davon aus, dass unser Saisonstart am 1. und 2. August ähnlich aussehen wird – falls er planmäßig stattfindet. Bei unseren Tests waren pro Fahrzeug auch nur neun Teammitglieder plus Fahrer zugelassen. In der Boxengasse wurde nur jede zweite Box belegt und wir mussten fast überall Mundschutz tragen.
Patrick Assenheimer: Man muss sicherlich auch noch hervorheben, dass die Fans diszipliniert zuhause geblieben sind und so das hohe Polizeiaufgebot und die Verkehrskontrollen gar nicht unbedingt nötig waren. Aber die Nordschleife ohne Zuschauer, das war schon ungewohnt. Beim Rennen selbst bekommt man von den Fans ja nicht allzu viel mit, aber wenn man bei der Formationsrunde langsam über die Strecke fährt und nirgends Leute sieht, die mitfiebern, die teilweise am Fahrbahnrand grillen, ist das irgendwie schon traurig.
Statt wie bisher im „Black Falcon“ haben dein Partner Maro Engel und du bei der Premiere mit dem neuen Team „Hubert Haupt Motorsport“ Pole Position, schnellste Rennrunde und Platz zwei geholt. Ein nahtloser Übergang?
Patrick Assenheimer: Genau. Bei uns sind weiterhin die bisherigen Personen am Werk, nur hat sich der Name des Einsatzteams geändert. Black Falcon hat sich von seiner GT3-Abteilung getrennt und Hubert Haupt hat damit ein eigenes Motorsportteam gegründet. Übrigens hatten wir sogar Platz eins geholt, der uns dann leider wegen einer Zeitstrafe nachträglich abhanden gekommen ist.
Während des Lockdowns hat das Sim-Racing einen großen Aufschwung genommen und ganze Serien hatten ihre Fahrer zur Teilnahme an Online-Rennen verpflichtet. Habt ihr euch während dieser Zeit auch am Simulator fit gehalten?
Markus Pommer: Ich habe zwar schon seit 2007 einen Fahrsimulator, der steht aber bei meinen Eltern im Keller und ich nutze ihn nur zur Vorbereitung auf Rennen – vor allem bei Strecken, die ich noch nicht so gut kenne. eRacing-Meisterschaften sind mir mit Vorbereitung, Qualirennen und Meisterschaftsrennen zu zeitaufwändig.
Patrick Assenheimer: Ich hatte bis kurz vor dem Lockdown noch nicht mal einen Simulator. Es ist aber schon faszinierend, wie detailgetreu das Fahrzeug und die ganze Abstimmung in das Spiel hinein programmiert wurde. Aber bei mir ist es wie bei Markus: Ich nutze ihn auch nur zum Kennenlernen neuer Strecken.
Markus, du gehst wieder in der Callaway Corvette an den Start, deren letzte Saison ja nach den beiden Crashs in Hockenheim ein sehr unglückliches Ende genommen hatte. Was nehmt ihr euch vor und wie läuft‘s mit deinem neuen Partner Jeffrey Schmidt?
Markus Pommer: Die Corvette ist bisher jedes Jahr vorne mitgefahren und das nehmen wir uns natürlich auch jetzt wieder vor. Aber die Serie wird immer stärker und die Teams rücken weiter zusammen. Eine Prognose ist fast nicht möglich. Mit Jeffrey Schmidt habe ich einen sehr guten Fahrer an die Seite bekommen, der die Serie bestens kennt. Letztes Jahr war er beim Porsche Cup immer vorne mit dabei. Wer sich dort durchsetzt, kann kein schlechter Fahrer sein!
Profitiert die ADAC GT Masters eigentlich durch die Probleme der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM), deren Zukunft nach dem Ausstieg von Audi offener denn je ist?
Markus Pommer: Sollte die DTM je wegbrechen, wären wir tatsächlich die stärkste Serie in Deutschland. Dadurch, dass die GT Masters die Nähe zu den Fans zulässt, mit Pflicht-Boxenstopp und Fahrerwechsel arbeitet und solche Exoten wie Ferrari und unsere Corvette mit dabei hat, hatten wir schon in den letzten Jahren einen enormen Zulauf. Wir schauen natürlich auch genau hin, was die DTM macht.
Patrick Assenheimer: Ohne Corona wären die Hersteller, welche bisher die DTM unterstützt haben, sicherlich in die GT Masters gewechselt. Jetzt wurde die Automobilbranche jedoch in Mitleidenschaft gezogen, da bleibt es abzuwarten, wie sie sich entscheiden. Die GT Masters wurde durch die hohe mediale Präsenz der DTM in den letzten Jahren unterschätzt. Jetzt wird sie wohl aus deren Schatten treten.
Musstet ihr vor den Rennen bzw. den Tests eigentlich einen Corona-Test machen?
Patrick Assenheimer: Nein, wir mussten keine Tests machen und es gab auch keine Quarantäne, wie wir es im Fußball und Basketball gesehen haben. Allerdings haben wir in der NLS ein Team aus Gütersloh dabei, das durfte beim ersten Lauf nicht antreten, weil es aus einem Risikogebiet stammt.
Markus Pommer: Bei unseren Tests in Hockenheim mussten wir auch lediglich Name und Adresse angeben und bestätigen, dass wir nicht krank sind. Nachdem von den ersten NLS-Rennen keine Ansteckungen bekannt sind, werden vermutlich auch keine Pflichttests mehr kommen.