Florian Geiger: „Gewaltzunahme gegen Schiris findet nur in den Medien statt“

Ohne Schiedsrichter gäbe es keine Wettkämpfe im Sport. Sie sind dafür verantwortlich, dass alle Regeln einer Sportart eingehalten werden und die Spieler fair miteinander umgehen. Dass ohne sie kein Fußballspiel angepfiffen oder in der Leichtathletik nicht der beste Weitspringer gekürt werden kann, ist vielen gar nicht bewusst. Im Gegenteil: In letzter Zeit wurde immer wieder von Handgreiflichkeiten gegenüber Schiedsrichtern, vor allem im Fußball, berichtet. Sei es von Seiten der Zuschauer oder der Mannschaften. Bei vermeintlichen „Problem-Spielen“ wurden sogar schon Kickboxer als Schiedsrichter hinzugezogen. Florian Geiger, Obmann der Schiedsrichtergruppe Heilbronn, hat sich bereit erklärt, den sportheilbronn-Lesern einen Einblick in das Thema zu geben und hat uns von seinen Erfahrungen erzählt…

Autor: Enny Bayer

31. Januar 2020

Florian, wie denkst du über die Aussage, dass die Gewalt gegenüber Schiedsrichtern in der letzten Zeit stark zugenommen hat?

Florian Geiger: Ich finde es wichtig über das Thema zu sprechen. Man sollte es nicht unterschätzen und auch die Arbeit der Schiedsrichter wertschätzen. Allerdings hat die Gewalt gegenüber uns Referees nicht wirklich zugenommen. Es kommt einem nur so vor, weil die mediale Berichterstattung für Aufsehen sorgt, indem sie besonders prekäre Einzelfälle in der Öffentlichkeit hochkommen lassen. In einer Studie des Württembergischen Fußballverbandes wurde nachgewiesen, dass es in den vergangenen fünf Jahren keine starken Unterschiede in der Häufung von Beleidigungen gab und sich die Schiedsrichter nach wie vor so sicher auf dem Rasen fühlen wie vorher.

Hast du selbst schon einmal die Situation erlebt, dass du dich bedroht gefühlt hast und ein Spiel abbrechen musstest? Ab wann besteht die Möglichkeit für einen Schiedsrichter das Spiel abzubrechen?…

Florian Geiger: Bisher hatte ich noch keinen Vorfall in der Art. Es bleibt auch jedem Schiri selbst überlassen, wann er gegenüber seiner Person eine Gefahr sieht und das Spiel abbricht. Bei manchen Schiris zählen bereits Beleidigungen und Androhungen der Zuschauer oder Spieler als Gewalt. Andere unternehmen erst bei körperlichen Angriffen etwas.

Was geschieht nach einem Spielabbruch?

Florian Geiger: Das Ergebnis wird in der Regel vor dem Sportgericht entschieden – meist zugunsten der unbeteiligten Mannschaft. Dann kommt es ganz auf die Höhe der Strafe an, ob es weitere Auflagen gegen den Verein gibt.

Siehst du es als berechtigt an, dass Kickboxer als Schiedsrichter eingesetzt werden sollen, um Konflikten auf dem Spielfeld zu entgehen?

Florian Geiger: Die Idee ist bestimmt gut für die Sensibilisierung der Spieler und Eltern bei diesem Thema. Allerdings finde ich nicht, dass das die Lösung für die Zukunft ist. Da gibt es bessere Maßnahmen zur Prävention von Gewalt.

Welche Ansätze sind deiner Meinung nach der bessere Weg, um bei Konflikten Abhilfe zu schaffen?

Florian Geiger: Es gibt inzwischen Deeskalationstraining für die Mannschaften und bei jedem Spiel müssen zwei Platzordner von der Heimmannschaft gestellt werden. Diese müssen sich vor dem Spiel beim Schiedsrichter vorstellen und ihn vom Spielfeldrand unterstützen. Ohne sie gibt es keinen Anpfiff. Außerdem hat der Württembergische Fußballverband einen Verhaltenskodex für Schiedsrichter verfasst, in dem steht, wie sich ein Referee vor und nach dem Spiel, sowie in der Halbzeitpause zu verhalten hat. Die Einführung der gelben und roten Karten gegenüber den Trainern zeigt ebenfalls eine positive Wirkung.

Es ist ja bekannt, dass es schwierig ist neue Schiedsrichter zu finden. Wird dieses Problem durch die Vorfälle beeinflusst?

Florian Geiger: Im Grunde genommen nicht. Die, die einen Schiedsrichterschein machen wollen, sind schon von Natur aus starke Persönlichkeiten, die im besten Falle Beleidigungen und sonstige verbale Angriffe ausblenden können. Aufgrund der Vorfälle, die in der letzten Zeit veröffentlicht wurden, führen wir auch extra Schulungen über das Thema durch, damit junge Schiedsrichteranfänger wissen, wie sie sich richtig verhalten. Außerdem bekommt jeder Anfänger während der ersten fünf Spiele einen Coach zur Seite gestellt, der sich das Spiel anschaut und gegebenenfalls auch eingreifen kann.

Was sind die Voraussetzungen, dass man eine Ausbildung zum Schiedsrichter im Fußball absolvieren kann?

Florian Geiger: Jeder ab 14 Jahren kann sich für die Schulungen anmelden. In der Regel kann man seine Schiri-Lizenz schon nach drei Wochen gemacht haben. Dabei gibt es Theorie- sowie Praxisschulungen und am Ende sind sie ausgebildete Fußballschiedsrichter.

Müssen Vereine Strafen bezahlen, wenn sie nicht genügend Schiedsrichter stellen können?

Florian Geiger: Je höher die Mannschaften in einem Verein spielen und je mehr Teams am Spielbetrieb teilnehmen, desto mehr Unparteiische müssen gestellt werden. Ansonsten gibt es eine Strafe für den Verein. Derzeit sind wir 130 Schiedsrichter in der Schirigruppe Heilbronn, was im Moment noch zu wenige sind, wenn man bedenkt dass ein guter Referee teils über 100 Spiele leiten darf. Wer also Interesse an einer Schiedsrichterausbildung im Fußball hat, kann sich gerne unter www.schiri-heilbronn.de erkundigen.

Text: Enny Bayer