Ex-Bundesligaprofi Martin Lanig: Vorbild für die „Anpfiff“-Kids

Martin Lanig hat in seinem Leben vieles richtig gemacht. Mit inzwischen 36 Jahren kann er unter anderem auf 123 Spiele in der Fußball-Bundesliga, sieben UEFA-Cup und fünf Euroleague-Einsätze sowie einen Meistertitel in Zypern zurückblicken. Er hat bei 1899 Hoffenheim, Greuther Fürth, dem VfB Stuttgart, dem 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt und APOEL Nikosia Fußball gespielt und noch während seiner aktiven Profilaufbahn per Fernstudium das Sportmanagement-Studium abgeschlossen. Eines blieb ihm jedoch wegen eines Kreuzbandrisses verwehrt: Die ganz große Karriere, deren Start die beiden Championsleague-Spiele des VfB Stuttgart gegen den FC Barcelona hätten sein können. Inzwischen wohnt der gebürtige Bad Mergentheimer mit seiner Familie im Eigenheim in Lauda-Königshofen. Seit 1. Juni 2020 pendelt er täglich nach Heilbronn, wo er als Jugendkoordinator das Projekt „Anpfiff Heilbronn“ verstärkt. Mit ihm glauben Anpfiff ins Leben und die Dieter Schwarz Stiftung den idealen Mann gefunden zu haben, der den jungen Sportlerinnen und Sportlern Ausbildungsberater und Vorbild zugleich sein kann. Ralf Scherlinzky, Enny Bayer und Benjamin Krek haben mit dem sympathischen Exprofi über seine Karriere und die neuen Aufgaben in Heilbronn gesprochen.

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

28. Juli 2020

Jugendkoordinator des Projekts „Anpfiff Heilbronn“ – was kann man sich darunter vorstellen?
Martin Lanig: Ich werde vor allem die Spieler ab der C-Jugend aufwärts betreuen. Zum einen im sportlichen Sektor, zum anderen aber auch in Richtung berufliche Ausbildung. Sprich, wir werden den Jugendlichen den Weg ebnen, um nach der Schule neben dem Fußball auch eine gesunde berufliche Grundlage zu legen. Denn bekanntlich schafft es nur ein kleiner Bruchteil der Nachwuchsspieler vom Fußball leben zu können.

Einer der Wenigen, die dies geschafft haben, ist Martin Lanig. Wie hat der Weg des jungen Martin aus Lauda-Königshofen bis in die Bundesliga damals ausgesehen? Sprich, was muss ein Nachwuchsspieler mitbringen, um es ganz nach oben zu schaffen?
Martin Lanig: In meiner Karriere habe ich eigentlich genau den „Anpfiff“-Weg durchlaufen, ohne dass er damals schon praktiziert worden wäre. Meine Jugend war ziemlich durchgetaktet, da ich ab der B-Jugend parallel zur Schule erst täglich nach Nürnberg und dann später nach Hoffenheim gependelt bin. Fußball auf höchstem Level war nur möglich, da ich auch schulisch eine gute Grundlage gelegt habe. Talent allein reicht in den wenigsten Fällen aus. So schön und privilegiert das Profidasein später auch sein mag – mit einer einzigen Verletzung kann die Karriere vorbei sein und man muss wieder bei Null anfangen, wenn man sich keine Grundlagen geschaffen hat.

Du weißt, wovon du hier sprichst. Stichwort Kreuzbandriss…
Martin Lanig: Genau. Ich hatte es nicht nur in die Bundesliga geschafft, sondern mich etabliert, stand beim VfB Stuttgart in einem Team mit Jens Lehmann, Thomas Hitzlsperger, Sami Khedira und Mario Gomez und spielte den besten Fußball meines Lebens. Im zweiten Saisonspiel 2009 passierte es dann. Das Kreuzband war futsch, und damit auch der Traum, in der Champions League zu spielen. Der VfB holte auf meiner Position für acht Millionen Euro Zdravko Kuzmanovic aus Florenz. Dann wurde Markus Babbel als Trainer durch Christian Groß ersetzt, der mich nicht kannte und mit Hitzlsperger, Khedira und Kuzmanovic aus dem Vollen schöpfen konnte. Ich war aus dem Team draußen, und die Angst, das alte Level nicht mehr zu erreichen, war groß. In einer solchen Situation lernt man sehr viel, und zwar auf eine harte Art und Weise.

Zumindest die Angst, nicht wieder auf das alte Level zu kommen, war dann aber unbegründet, denn du bist ja dann in Köln und Frankfurt wieder durchgestartet.
Martin Lanig: Ich habe sehr hart an mir gearbeitet, um wieder zurückzukommen. Dann kam das Angebot aus Köln, das mich wieder in die Bundesliga zurückgebracht hat. Ich durfte noch fast 100 Bundesligaspiele bestreiten und hatte in Köln und dann in Frankfurt vier tolle Jahre. Im Trikot der Eintracht hatte ich am 28.11.2013 auch mein persönliches Highlight, als ich in der Euroleague beim Auswärtsspiel in Bordeaux in der 83. Minute das Siegtor zum 0:1 geschossen habe und von unzähligen mitgereisten Eintracht-Fans gefeiert wurde.

Was geht eigentlich in einem jungen Menschen vor, wenn er zum Profi wird und plötzlich irrsinnige zwei Millionen Euro wert sein soll?
Martin Lanig: Man kommt da in ein Umfeld hinein, das man so nicht kennt. Es ist wahnsinnig wichtig, dass man zuhause einen Rückhalt hat, der einem die Realität vor Augen halten kann, wenn man plötzlich mit solchen Summen konfrontiert wird – man gewöhnt sich sonst zu schnell daran. In der Branche geht es viel um Statussymbole. Wenn alle anderen im Team einen Porsche fahren, kann man nicht mit dem Kleinwagen zum Training kommen. Ich habe trotzdem versucht, während der Karriere ein halbwegs normales Leben zu führen und nicht mit der Masse zu schwimmen. Ich wollte keine ferngesteuerte Marionette sein. So habe ich mich mit 26 Jahren von meinem Spielerberater getrennt und bin selbstbestimmt durch meine Karriere gegangen. Das hat gut geklappt.

Während es andere Fußballprofis nach England oder Spanien zieht, bist du 2015 von Frankfurt zu APOEL Nikosia nach Zypern gewechselt – nicht unbedingt eine typische Fußball-Destination. Wie kam es dazu?
Martin Lanig: Ich hatte zu der Zeit schon in Richtung Karriereende geblickt und mein Fernstudium forciert gehabt. Thorsten Fink wurde Trainer in Nikosia und wollte mich in seinem Team haben. Dort konnte ich noch ein paar Monate auf gutem Niveau Fußballspielen und gleichzeitig meine Klausuren schreiben. Das war ziemlich abenteuerlich: Die Fern-Uni aus Wismar hat meine Klausuren versiegelt an die Goethe-Universität in Nikosia geschickt. Dort habe ich die Klausuren unter Aufsicht geschrieben und sie wurden versiegelt wieder zurückgesendet. Zum Abschluss der Saison haben wir dann noch die Meisterschaft und den Pokalsieg geholt und ich konnte meine Laufbahn mit zwei Titeln beenden.

Durch das Fernstudium ist dir dann das gelungen, was nicht viele Profis schaffen: Ein nahtloser Übergang von der Karriere in das Berufsleben. Damit bist du der der lebende Beweis dafür, dass das, was ihr den Kids bei „Anpfiff Heilbronn“erzählt, Hand und Fuß hat…
Martin Lanig: Exakt. Das hat auch Anpfiff ins Leben erkannt, als sie mir die Stelle als Jugendkoordinator gegeben haben. Bevor ich hierher gekommen bin, habe ich aber auch noch in einige Bereiche reingeschnuppert, um das per Fernstudium Erlernte in der Praxis anwenden zu können. So habe ich bei 1899 Hoffenheim, der Deutschen Fußball-Liga und der U21-Nationalmannschaft bei Stefan Kuntz hospitiert und habe auch in eine Unternehmensberatung reingeschnuppert, um die Berufswelt jenseits des Fußballs kennenzulernen.

Anpfiff Heilbronn mit steigenden Anmeldezahlen

Im Juli 2019 startete „Anpfiff Heilbronn“. Das durch die Dieter Schwarz Stiftung ermöglichte Jugendförderkonzept von Anpfiff ins Leben wird als Pilotprojekt beim FC Union Heilbronn umgesetzt und soll in naher Zukunft auch für weitere Heilbronner Vereine geöffnet werden. Das Projekt, das schon in seinem ersten Jahr 140 Kinder und Jugendliche mit einer ganzheitlichen Förderung in den Bereichen Sport, Schule, Beruf und Soziales unterstützt hat, hat in den letzten Monaten weiteren Zulauf bekommen.

„So wie es aussieht, werden wir mit über 200 Kindern in die neue Saison gehen können“, freut sich Dominik Hager (Foto). Der Projektkoordinator betreut die jungen Kicker gemeinsam mit vier weiteren Lernbegleitern bei den Hausaufgaben. „Bei vielen der Kids liegen die Schwierigkeiten oft nicht beim Stoff selbst, sondern vielmehr bei der Lernmethodik. Dort setzen wir an.“

Inzwischen hat Hager auch Kontakt zu Vereinen aus anderen Sportarten aufgenommen. „Ziel ist, dass nach der Pilotphase weitere Heilbronner Vereine dazu stoßen und viele weitere Kinder und Übungsleiter von der 360°-Förderung profitieren“, so Dominik Hager.