Eishockeyprofi Noah Dunham – Abbruch der U20-WM im Corona-Chaos

Die letzten Tage des Jahres 2021 und die ersten Wochen 2022 wird Noah Dunham nicht so schnell vergessen. Der 19-Jährige Stürmer der Heilbronner Falken war gleich doppelt von den Wirrungen betroffen, die die Omikron-Variante des Corona-Virus im Profisport ausgelöst hatte. Erst spielte er für die deutsche Nationalmannschaft bei der U20-Weltmeisterschaft in Kanada, die kurz vor der dritten Partie des DEB-Teams abgebrochen wurde. Kaum zurück in Heilbronn, musste er sich dann mit dem gesamten Team der Heilbronner Falken in Quarantäne begeben. Wir haben den gebürtigen Amberger gefragt, wie er dieses Corona-Chaos erlebt hat.

Autor: Ralf Scherlinzky

21. Februar 2022

Noah, wie war‘s bei der U20-WM in Kanada?
Noah Dunham: Beim Turnier selbst war es eigentlich richtig cool. Dort zu spielen, darauf arbeitet man 15 Jahre lang hin. Nach den Spielen bei der U16- und U17-Nationalmannschaft ist das das Höchste, was man als Nachwuchsspieler erreichen kann. Man will unbedingt dabei sein. Wenn man es dann geschafft hat, ist das ein riesen Gefühl – das kann man sich gar nicht vorstellen. Wir sind auch sehr gut in das Turnier reingekommen. Nach dem 1:3 gegen Finnland haben wir die Tschechen 2:1 in Overtime geschlagen und waren auf einem guten Weg. Bei unseren Spielen waren so 2.000, 3.000 Fans in der Halle, unter denen ich sogar welche in Trikots der Heilbronner Falken gesehen habe. Eigentlich lief alles perfekt. Und dann wurde das Turnier für uns total überraschend abgebrochen.

Wie habt ihr von dem Abbruch erfahren?
Noah Dunham: Das war in den Stunden vor dem großen Spiel gegen den Gastgeber Kanada, gegen den wir uns einiges vorgenommen hatten. Vormittags hatten wir noch das Pre-Game Training und nach dem Mittagessen waren wir nochmal auf den Zimmern. Plötzlich hieß es dann, dass wir alle in den Speiseraum runterkommen sollen. Wir haben vermutet, dass vielleicht das Kanada-Spiel abgesagt oder verlegt wird, weil es dort ein paar positiv getestete Spieler gab. Aber dass dann das komplette Turnier einfach so abgebrochen wird, damit hatten wir absolut nicht gerechnet. Das war schon sehr traurig, wir waren total geschockt. Man kann das gar nicht beschreiben. Danach ging es gleich in die Kabine, um die Ausrüstung zusammenzupacken. Die Tasche zu packen, war für mich nochmal ein sehr emotionaler Moment.

Im „Mutterland des Eishockeys“ war das bestimmt auch ein Schock für die eishockeyverrückten Kanadier…
Noah Dunham: Stimmt, die U20-WM ist eine der größten Sportveranstaltungen in Kanada. Sämtliche Fernsehsender haben darüber berichtet, wie traurig die Absage für die ganzen Jugendlichen ist, die ihr Leben lang darauf hin trainiert haben. Aber objektiv gesehen, war der Abbruch die richtige Entscheidung, auch wenn es für alle Beteiligten schon brutal war.

Wie hattet ihr euch auf das Turnier vorbereitet, um eine solche Situation wie im Vorjahr, als fast die ganze Nationalmannschaft zum Turnierbeginn in Quarantäne war, zu vermeiden?
Noah Dunham: Wir hatten uns vor der WM schon im Trainingslager in Füssen selbst in Quarantäne begeben, damit nichts von außen reinkommt. Als wir in Kanada angekommen sind, waren wir die ersten drei Tage isoliert in unseren Zimmern, damit man auch hier eventuelle positiv getestete Spieler von den anderen fernhalten konnte. Im Hotel hatten wir eine Etage für uns, in der wir quasi auch in der Blase waren. Vom Hotel ging es mit dem Bus zum Training und wieder zurück – wir haben dort keine anderen Menschen getroffen. Auch in der Arena hatten wir eigene Bereiche ohne Kontakt mit anderen. Es gab eine eigene Warmup-Area sowie natürlich eine eigene Kabine. Erst zum Spielbeginn sind wir dann auf Gegner und Schiedsrichter getroffen, und auf der Tribüne waren wie gesagt einige Fans. Und natürlich haben wir jeden Tag einen PCR-Test gemacht. Als dann die ersten positiven Tests bei anderen Teams bekannt wurden, ging natürlich auch bei uns das Zittern los.

Haben diese Maßnahmen gewirkt?
Noah Dunham: Ja, eigentlich schon. Wir hatten noch keinen Positiven im Team bis das Turnier abgebrochen wurde. Erst kurz vor dem Abflug gab es einen Spieler, der positiv getestet wurde. Er musste dann noch zusammen mit einem Teamarzt länger in Kanada bleiben. Die Welle bei uns in der Mannschaft kam erst, als wir wieder zurück in Deutschland waren. Jeder musste daheim, um wieder zu seinem Team zu dürfen, innerhalb von 48 Stunden zwei PCR-Tests machen. Und bei diesen Tests wurden über zehn meiner Mitspieler positiv getestet. Da ich 2020 schon zweimal mit dem Corona-Virus infiziert war, hat es mich nicht erwischt.

Wart ihr das einzige Team, das während des Turniers keine positiven Fälle hatte?
Noah Dunham: Das weiß ich nicht, aber man hat halt mitbekommen, wie es immer mehr Infizierte gab. Als das erste Team zwei Fälle gemeldet hat, hatte uns das noch nicht beunruhigt. Bei denen ist eine Partie ausgefallen, die nächste konnten sie aber wieder spielen, weil alle Tests negativ waren. Danach ging es dann los. Von Tag zu Tag hatten mehr Nationen positiv getestete Spieler. Dazu kamen zahlreiche positive Schiedsrichter, so dass ein geregelter Ablauf nicht mehr möglich war und sie abbrechen mussten.

Hast du persönlich nochmal die Chance, bei einer U20-Weltmeisterschaft dabei zu sein, oder bist du beim nächsten Turnier schon zu alt?
Noah Dunham: Also wenn das abgebrochene Turnier nicht noch irgendwann fortgesetzt wird, dann war das meine letzte Chance. Nur vier Spieler aus der aktuellen U20-Nationalmannschaft dürfen Ende 2022 nochmal bei der WM spielen, alle anderen sind dann zu alt.

Warst du in den beiden Spielen mit deiner persönlichen Leistung zufrieden?
Noah Dunham: Ja, absolut, und das haben mir auch die Trainer beim Abschlussgespräch bestätigt. Mit der kleinen kanadischen Eisfläche gegen Gegner wie Finnland und Tschechien zu spielen, das ist schon nochmal was anderes als hier in der Liga. Wir hatten im Team auch einen unglaublichen Zusammenhalt. Man geht in jeden Wechsel mit dem Spirit, dass man alles für seine Nebenleute machen würde. Man wirft sich in Schüsse, geht in alle Zweikämpfe – das ist unglaublich. Und so ein Gefühl nach einem gewonnenen Spiel wie nach dem Overtime-Sieg gegen die Tschechen hatte ich persönlich noch nie. Das wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Und dann ging es zurück nach Heilbronn, wo du quasi vom Regen in die Traufe gekommen bist. Als du wieder einsatzfähig gewesen wärst, wurde das komplette Team der Heilbronner Falken in Quarantäne geschickt…
Noah Dunham: Stimmt, das war eine vom Gesundheitsamt angeordnete Teamquarantäne, also war ich auch betroffen, obwohl meine Tests alle negativ waren. Wir Negativen durften nach sieben Tagen wieder aus der Quarantäne raus und mussten auch das Return-to-Play Protokoll mit medizinischen Tests nicht durchlaufen.

Du warst dann Teil des „Jugend forscht“-Teams, das am 28. Januar in Crimmitschau antreten musste, obwohl die Mannschaft nicht wirklich spielfähig war. Mit deinen 19 Jahren warst du in diesem Spiel gefühlt schon einer der Routiniers bei den Falken…
Noah Dunham: Ja, das war schon ein Irrsinn. Wir hatten ein paar ganz junge Spieler aus Mannheim dabei, die noch nie in der DEL2 gespielt hatten. Auch unser Goalie Luca Ganz hat mit 18 Jahren sein erstes Spiel gemacht. Alle haben super gefightet, und es ist tatsächlich so – je kleiner der Kader, desto größer der Zusammenhalt. Bis zehn Minuten vor Schluss lagen wir nur 1:3 hinten, dann haben wir uns aber doch noch drei Tore eingefangen und haben 1:6 verloren.