Dreispringerin Aliena Heinzmann: Erfolgreiche Spätstarterin

Aliena Juliette Heinzmann stammt aus Eppingen und trainiert ihre Disziplin Dreisprung beim dortigen TV. Die 20-Jährige ist Mitglied im „Nachwuchskader 1“ des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Als Deutsche Vizemeisterin in der U20 und Süddeutsche Meisterin sowohl in der U23 als auch bei den Aktiven gehört sie zu den hoffnungsvollsten Nachwuchstalenten einer außergewöhnlichen Disziplin. Abseits vom Sport absolviert sie im letzten Lehrjahr im elterlichen Betrieb eine handwerkliche Ausbildung zur Anlagenmechanikerin (Sanitär, Heizung, Klima) und besucht in Heilbronn die Berufsschule. Abends greift sie des öfteren zum Gaming Controller, um beim Zocken von Counter Strike, Overwatch oder League of Legends abzuschalten. Im Interview erzählt Aliena, wie sie zum Dreisprung gekommen ist, weshalb sie mit 20 Jahren quasi noch am Anfang ihrer Karriere steht und warum sie es nie wagen würde, sich mit der aktuellen Weltrekordhalterin Yulimar Rojas zu vergleichen.

Autor: Lena Staiger

29. April 2022

Fotos: KJ Peters

Fangen wir ganz zu Beginn an: Wie bist du zur Leichtathletik gekommen?
Aliena Heinzmann: Ich habe erst mit 15 mit der Leichtathletik begonnen. Davor habe ich einige Jahre Fußball gespielt, bin geritten und habe Jazzdance, Bauchtanz und Turnen ausprobiert. Schon damals hat sich mein Vorteil, die Schnelligkeit, herauskristallisiert. Ausdauer war nie wirklich meine Stärke, darauf hatte ich im Training auch ehrlich gesagt keine Lust (lacht). Durch eine Verletzung im Fußball bin ich letztendlich zur Leichtathletik gekommen. Das Probetraining beim TV Eppingen hat mir Spaß gemacht und ich war tatsächlich schon zwei Wochen später mit dem Team auf den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften im Einsatz, da kurzfristig eine andere Athletin ausgefallen war.

15 Jahre ist im Vergleich zu anderen ein recht später Einstieg. Trotzdem kannst du ja gut mithalten…
Aliena Heinzmann: Ja, das stimmt. Andere Mädels, gegen die ich antrete, trainieren schon seit dem frühen Kindesalter Leichtathletik. Daran muss ich mich immer wieder erinnern, wenn ich zu ungeduldig mit mir selbst bin. Mit dem Dreisprung speziell habe ich zum Beispiel erst 2019 angefangen. Wenn ich ständig im Vergleich mit den erfahreneren Springerinnen stehe, setze ich mich deshalb manchmal zu sehr unter Druck. Wenn man es alleine vom zeitlichen Faktor her betrachtet, bin ich ja eigentlich noch ein „Neuling“ in dieser Disziplin. Dreisprung ist extrem progressiv und man braucht Jahre, um die nötige Stabilität im Körper zu erlangen und einen flüssigen Bewegungsablauf zu etablieren. Der Dreisprung vergibt nichts. Bei den aktuellen Erfolgen darf ich mich dann sicherlich nicht beschweren.

Neben dem Dreisprung gehst du auch noch über die 100 Meter Sprint an den Start. Warum genau diese zwei Disziplinen?
Aliena Heinzmann: In meinem ersten Jahr bin ich nur im Sprint und im Weitsprung gestartet. Da man bei allen horizontalen Sprüngen immer die gleichen Mehrfachsprünge trainiert, haben sich da zwischen Weit- und Dreisprung schon einige Parallelen ergeben. Bei uns im Eppinger Team haben viele andere Sportlerinnen und Sportler auch Dreisprung gemacht, also wollte ich es auch ausprobieren. Nachdem wir dann im Training drei oder vier Mal spezifisch geübt haben, bin ich im ersten Wettkampf direkt die DM-Norm gesprungen. Ich muss also wohl ein bisschen Talent dafür haben (schmunzelt). Der Sprint passt als ergänzende Disziplin auch sehr gut. Um weit zu springen, braucht man einen schnellen Anlauf. Deshalb starten viele Horizontalspringer auch in einer kurzen Sprintdisziplin.

Du hast in Eppingen angefangen und trainierst immer noch dort. Steht für dich langfristig ein Wechsel zu einem größeren Verein an?
Aliena Heinzmann: Im Moment auf jeden Fall nicht. Die meisten professionellen Leichtathleten wechseln zu großen Vereinen, weil sie von diesen angeheuert und bezahlt werden. An diesem Punkt bin ich aktuell noch nicht. In Eppingen fühle ich mich unter meinen Trainern Peter Bergdolt und Martin Löwer sehr wohl. Sie gehören meiner Meinung nach zu den besten Dreisprungtrainern in Deutschland. Durch meinen Kaderstatus bin ich seit Herbst 2021 auch zweimal pro Woche in Mannheim und trainiere dort unter dem Landestrainer Sprint Valerij Bauer. Dort habe ich super Trainingsvoraussetzungen. Das ist das einzige Manko in Eppingen: Wir haben leider keine Halle, in der wir einen kompletten Dreisprung trainieren können.

Kannst du dich so auf die Hallensaison überhaupt richtig vorbereiten?
Aliena Heinzmann: Wir haben uns mit der Situation arrangiert. Zur Vorbereitung gehen wir in große Mehrzweckhallen, legen da eine Matte aus und trainieren die Sprünge eben ohne Landung. Natürlich ist das was anderes, als wenn man mit Spikes volle Kanne an eine Grube ranlaufen kann. Auf der anderen Seite hat es auch etwas Gutes. Durch die eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten gehen wir viel vom Spezifischen zurück zum Grundlagentraining und machen viele Mehrfachsprünge. Dadurch wird man wesentlich stabiler, das vergessen manche auch. Trotzdem fehlt natürlich der letzte „Kick“. Deshalb nehmen wir die Saison draußen auch immer wichtiger als die Hallensaison, weil wir dann richtig trainieren können.

Zuletzt hattest du noch mit einer Verletzung am Fuß zu kämpfen, die dich von einem Start bei der Hallen-DM abgehalten hat. Hast du die Verletzung inzwischen auskuriert?
Aliena Heinzmann: Die Diagnose lautete Fersenprellung. Im MRT hat man außerdem ein Ödem im Sprunggelenk und ein überdehntes Innenband gesehen. Nach vier Wochen kompletter Entlastung konnte ich wieder mit den ersten läuferischen Sachen anfangen. Dabei arbeitet man ja eh mehr mit dem Mittel- und Vorfuß. Außerdem habe ich natürlich noch regelmäßig Physiotherapie. Inzwischen habe ich auch wieder mit den ersten Sprüngen begonnen. Ich bin aber noch vorsichtig und möchte mich nicht direkt wieder überlasten. Das ganze Thema hat mental auch ziemlich an mir genagt.

Wenn du das Thema mentale Herausforderungen ansprichst: Arbeitest du auch mit einem Mentaltrainer zusammen?
Aliena Heinzmann: Ja, ich bin aktuell bei einem Mentalcoach. Wir arbeiten viel an Dingen, die stark im Unterbewusstsein verankert sind. Die haben primär erstmal nichts mit dem Sport zu tun, können die Leistung aber natürlich trotzdem beeinträchtigen. Ab einem gewissen Punkt braucht man einfach das Mentaltraining, um mit dem bewussten und unbewussten Druck fertig zu werden. Auch das Thema Neuroathletiktraining hat mir bei Nackenproblemen schon sehr weitergeholfen.

Aliena Heinzmann zu Besuch in der SPORTHEILBRONN-Redaktion. Foto: Privat

Apropos Druck: Deine persönliche Bestleistung liegt aktuell bei 13,02 m. Setzt dich der neue Weltrekord über 15,67 m von Yulimar Rojas unter den Druck, auch in diese Weiten vorstoßen zu wollen?
Aliena Heinzmann: Absolut nicht. In der Welt der Dreispringerinnen ist man sich einig, dass man sich nie mit Yulimar Rojas vergleichen darf, da entsteht nur Frust (lacht). Nein im Ernst: Diese Frau ist einfach körperlich gesegnet. Ich bin mir sicher, dass sie in ihrem Leben noch die 16-Meter-Marke knacken wird. Yulimar ist mit ihren 1,92 m sehr groß und hat alleine deshalb schon einen riesigen Vorteil. Aktuell kommt keine andere Frau an ihre Leistungen heran, obwohl es meiner Meinung nach Athletinnen gibt, die technisch sogar noch stärker sind. Die nächsten Athletinnen kommen ungefähr auf 15,20 m, was schon verrückt ist. Allgemein spricht man bei EM´s und WM´s über ein sehr starkes Niveau ab ca. 14,80 m.

Wo stehst du in Deutschland aktuell und was sind deine großen Ziele und Träume?
Aliena Heinzmann: Aktuell bin ich mit vier anderen Springerinnen im Nachwuchs-Bundeskader, gehöre also in meiner Altersklasse schon zur deutschen Spitze. Bei den Erwachsenen war ich nach dem Saisonende letztes Jahr auf Rang zwölf im gesamten Standing gerankt. Natürlich ist es mein großes Ziel, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Paris 2024 wird für mich wahrscheinlich noch zu früh kommen, darum peile ich die Spiele 2028 in Los Angeles an. Bis dahin möchte ich so viel wie möglich international für Deutschland starten und Erfahrungen sammeln. Wenn ich eine Sache angehe, dann immer Vollgas, bei mir gibt es keine halben Sachen!