Die virtuelle Mitgliederversammlung – Mut zur Herausforderung

Das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) vom 27.03.2020 (BGBl. I S. 569, 570), wurde durch Artikel 11 des Gesetzes vom 22.12.2020 (BGBl I S. 3328) dahingehend geändert, dass das Gesetz nunmehr bis zum 31.12.2021 gilt.

Autor: Harald Krusenotto

6. Mai 2021

Konkret geht es zum einen darum, dass Vorstandsmitglieder eines Vereins auch nach Ablauf der Amtszeit bis zur Abberufung oder bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleiben können. Zum anderen wird den Vereinen gestattet, Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen virtuell abzuhalten und Beschlüsse zu fassen, ohne dass dies in der Vereinssatzung vorgesehen ist. Der Vorstand ist zudem nicht verpflichtet, eine ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliederversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.

Ein Beschluss ist ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden und mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen bis zu dem vom Verein festgesetzten Termin in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde. Entsprechendes gilt auch für den Vorstand. Kein Mitglied kann verlangen, dass ihm die Teilnahme am Versammlungsort, an dem der Vorstand die Mitgliederversammlung leitet, ermöglicht wird. Der Vorstand kann eine ordentliche Mitgliederversammlung aufschieben, wenn ihm eine Präsenzveranstaltung nicht möglich ist und eine virtuelle Mitgliederversammlung nicht mit zumutbaren Aufwand für den Verein und die Mitglieder durchgeführt werden kann. Letztendlich obliegt es damit den Verantwortlichen des Vereins, ob und wie sie eine Mitgliederversammlung einberufen und ihre Vorstandsbeschlüsse im Vorstand fassen.

Keinesfalls bedeutet dies, dass der Vorstand sich über die Beschlusskompetenz der Mitgliederversammlung hinwegsetzen kann. Sieht die Satzung vor, dass nur die Mitgliederversammlung entsprechende Beschlüsse fassen kann, muss sich der Vorstand daran halten.

 

Dem Vorstand stehen somit drei Optionen zur Verfügung:

1. Abhaltung der Mitgliederversammlung im virtuellen Raum/durch elektronische Kommunikation

2. Schriftliche Stimmabgabe durch das einzelne Mitglied vor der Durchführung der Mitgliederversammlung ohne Teilnahme daran

3. Beschlussfassung im Umlaufverfahren ohne Versammlung der Mitglieder

 

Die Durchführung der Mitgliederversammlung im virtuellen Raum erfordert, dass sämtlichen Mitgliedern der Zugang zur Mitgliederversammlung online gewährleistet (Stichwort: technische Ausstattung) werden kann. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass nur die teilnahmeberechtigten Mitglieder tatsächlich Zugang zu der Veranstaltung haben und die Abstimmungen satzungsgemäß vorgenommen werden können. Den Datenschutz gilt es zu beachten. Es muss ausgeschlossen werden, dass sich fremde Personen Zugang zur Versammlung verschaffen können. Unabhängig davon sind die Formalien wie Ladung, Tagesordnung etc. satzungsgemäß einzuhalten. Zu beachten ist weiter, dass Protokolle über die Beschlüsse und Abstimmungsergebnisse sowie eine Teilnehmerliste geführt werden, um z.B. bei Neuwahlen nicht Probleme bei der Eintragung mit dem Registergericht zu bekommen.

Die virtuelle Mitgliederversammlung ist sicherlich eine Herausforderung für die meisten Vereine. Bevor man sich daher an eine virtuelle Mitgliederversammlung heranwagt, sollte dies im kleinen Kreis geübt werden. Die zweite Möglichkeit ist es, dass die Mitglieder eingeladen werden, an einer mit konkret bezeichnetem Ort und einer genau benannten Uhrzeit stattfindenden Präsenzmitgliederversammlung ohne persönliche Anwesenheit (hybride Versammlung) teilzunehmen und ihre Stimme im Vorfeld abzugeben. Hierzu ist es aber erforderlich, dass die Mitglieder über die abzustimmenden Beschlüsse mit den entsprechenden Unterlagen vollständig informiert werden. Außerdem muss ein Beschlussdokument vorgefertigt werden, auf dem die Mitglieder durch Ankreuzen ihre Stimme abgeben können. Spontane Kandidaturen bei Wahlen sind dabei sicherlich problematisch.

Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren ohne Versammlung der Mitglieder funktioniert nur dann, wenn alle Mitglieder beteiligt und bis zu dem vom Verein festgesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder in Textform ihre Zustimmung abgegeben haben und darüber hinaus der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde. Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren wird regelmäßig daran scheitern, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder nicht ihre Stimme abgibt. Damit wird das erforderliche Quorum nicht erfüllt.

Angesichts der aufgezeigten Möglichkeiten und der damit verbundenen Voraussetzungen stellt sich die Frage, ob es Vereinen ohne sonstigen administrativen Beistand gelingt, Mitgliederversammlungen in der Pandemie rechtssicher durchzuführen. Andererseits sollte der Versuch gemacht werden, weil dies zukunftsweisend ist