Die Boxer-Talentschmiede des SV Heilbronn am Leinbach

Im Frühjahr 2018 erkämpften sich die Boxer des SV Heilbronn am Leinbach bei den Baden-Württembergischen Jugendmeisterschaften unter 99 teilnehmenden Vereinen erstmals den Titel des besten Boxvereins im Land. Regelmäßig besucht Trainer Alexander Seel mit den Kindern und Jugendlichen Turniere – fast immer mit Erfolgserlebnissen. Alexander Seel hat nicht nur die Grundlagen von Profi Slawa Spomer gelegt, sondern hat solche großen Talente in seinem Team, dass er diesen Deutsche und sogar Weltmeisterschaften zutraut. Unser Redakteur Ralf Scherlinzky hat sich mit dem 45-Jährigen unterhalten, um das Erfolgsgeheimnis zu ergründen.

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

4. Oktober 2018

Bei den großen Erfolgen, die ihr mit euren Nachwuchsboxern feiert, was macht ihr da anders als andere?
Alexander Seel: Das ist schwierig zu sagen. Am Anfang haben wir mit 19-Jährigen gearbeitet. Wenn du aber mit 19 Jahren anfängst, ist das Höchste, dass du mal einen Baden-Württembergischen Titel holen kannst. Je jünger man aber anfängt, desto mehr Zeit hat man, um die Kids aufzubauen. Als wir dann Kinder mit ins Training genommen haben, war das Mindestalter zehn Jahre. Irgendwann sind wir auf acht Jahre runter gegangen und dann haben wir gesagt, probieren wir es mal mit Sechsjährigen. Das machen die wenigsten Vereine, und vielleicht liegt darin eines unserer Erfolgsrezepte.

Dann boxen tatsächlich schon Sechsjährige, die gerade mal in die Schule kommen?
Alexander Seel: Nein, natürlich nicht. Ich trainiere sie erstmal allgemein, nicht boxspezifisch. Du führst sie ganz langsam ran, bringst ihnen spielerisch Bewegungsabläufe bei. Wenn sie in diesem Alter schon die koordinativen Dinge lernen, gibt ihnen das in späteren Jahren einen Vorsprung gegenüber ihren Gegnern. Vor allem müssen sie beim Training Spaß haben, das ist wichtig. Es wird auch niemand gezwungen zum ersten Mal in den Ring zu steigen. Das kommt von selbst, wenn sie so weit sind. Mit dem ehemaligen Olympiamedaillen-Gewinner Rustam Rahimov haben wir außerdem noch einen super Trainer dabei, der bei den Kindern sehr gut ankommt.

Ihr reist mit den Kindern auch oft quer durch Europa zu Trainingslagern und Turnieren in Russland und der Ukraine. Wie profitieren die Kids davon?
Alexander Seel: Das ist eine ganz wichtige Sache für die Psyche. Die Jungs in Russland und der Ukraine sind bissig und hungrig. Wenn du gegen die kämpfst und sie vielleicht sogar schlägst, dann fällt es dir hier in Deutschland wieder extrem leicht, zum Beispiel bei baden-württembergischen Meisterschaften zu boxen. Bei solchen Trips wachsen sie auch als Team zusammen. Und wenn wir dann zu Meisterschaften gehen und der erste gewinnt, dann wollen die anderen nachziehen und sie beginnen sich gegenseitig zu übertrumpfen. Sie pushen einander da so hoch, dass sie am Ende eigentlich gleichwertige Gegner einfach überrollen.

Wir groß ist dein Team bei Meisterschaften?
Alexander Seel: Bei der letzten Meisterschaft hatten wir 12 Jungs im Alter zwischen zehn und 18 Jahren dabei.

Und das größte Talent, das ihr bisher rausgebracht habt, ist Slawa Spomer – oder?
Alexander Seel: Slawa war talentiert, das stimmt. Aber er war nicht immer der Fleißigste, auch wenn der Wille immer da war. Bei ihm hat es etwas länger gedauert, bis er gelernt hat selbständig zu arbeiten. Als er dann ein gewisses Level erreicht hatte, wusste ich, dass er von hier weg muss, um sich weiterzuentwickeln. Deshalb habe ich ihn geradezu genötigt, an den Olympiastützpunkt nach Heidelberg zu wechseln. Ich bin davon überzeugt, wenn er so weitermacht, kann er noch Großes erreichen.

Habt ihr aktuell auch ein Talent dabei, das in seine Fußstapfen treten kann?
Alexander Seel: Ja, in seine Fußstapfen und noch viel weiter. Anton Bukmeer ist mit seinen elf Jahren das größte Talent, das wir haben. Ich zweifle nicht daran, dass er mal Deutscher Meister werden kann. Wenn er dranbleibt, kann er es bis zur Weltmeisterschaft schaffen. Was ihn auszeichnet, ist seine Psyche. Er ist im Ring so von sich überzeugt – das glaubst du gar nicht. Anton kannst du gegen einen drei Jahre Älteren reinstellen, der zehn oder 15 Kilo mehr hat, das ist ihm egal.