Deutsche U18 / U20-Meisterschaften: Heilbronn empfiehlt sich für mehr

Vom 4. bis 6. September fanden im Heilbronner Frankenstadion die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften der Altersklassen U18 und U20 statt. Allein die Tatsache, dass ein solches Event überhaupt in Heilbronn stattfindet, hätte normalerweise schon für ein Aufhorchen gesorgt. Dass es dann aber in eine Zeit fällt, in der der Sport allgemein erst langsam wieder zum Leben erweckt wird und sich dennoch alles um Corona dreht, ist umso erstaunlicher. Wir hatten das Privileg drei Tage lang vor Ort dabei gewesen zu sein und eine Veranstaltung erleben zu dürfen, die zwar ohne Zuschauer und unter eigenartigen Bedingungen stattgefunden, aber bei allen Anwesenden für eine sehr positive Resonanz gesorgt hat. Die TSG Heilbronn hat hier gemeinsam mit dem Deutschen und dem Württembergischen Leichtathletik-Verband (DLV / WLV) einen riesen Job gemacht und der Sportwelt gezeigt: Heilbronn kann Sport-Großveranstaltungen!!!

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

29. Oktober 2020

Schon Ende Juli hatte die TSG Heilbronn im Frankenstadion einen kleinen Leichtathletik-Wettkampf für Werfer und Springer durchgeführt, bei dem unter anderem Paralympics-Star Niko Kappel im Kugelstoßen mit von der Partie war. „Das war so etwas wie unser Probelauf für die DM“, erklärt Rosemarie Just-Espert, Leichtathletik-Abteilungsleiterin der TSG.

Waren damals zusätzlich zum 100er-Athletenfeld inklusive Helfer und Kampfrichter auch noch eine Handvoll Zuschauer zugelassen, so mussten die Fans bei den Deutschen Meisterschaften leider außen vor bleiben – was die Leichtathletikfans der Region mitunter zu kreativen Lösungsversuchen veranlasste, um wenigstens einzelne Blicke auf die Athletinnen und Athleten zu erhaschen. Sowohl am Marathon-Tor des Frankenstadions als auch hinter dem Spielplatz des benachbarten Biergartens versammelten sich Zaungäste, um die Hochsprung- und Wurfanlage, sowie teilweise die Läufer sehen zu können. Trainer und Funktionäre, die sich unbewusst in ihr Blickfeld stellten, wurden freundlich gebeten sich einen anderen Platz zu suchen.

Die Anzahl der Personen im Stadion war auf 500 begrenzt, zu denen bei den vier Sessions am Freitag, Samstagmorgen, Samstagnachmittag und Sonntag jeweils 300 Athleten sowie 200 Trainer, Kampfrichter, Helfer, Sanitäter und Pressevertreter zählten. „Bitter war, dass nicht mal die Eltern der jugendlichen Sportlerinnen und Sportler mit rein durften. Die saßen teilweise vor dem Stadion im Auto oder drüben im Biergarten und konnten ihren Kindern nur im Livestream zuschauen“, so Rosemarie Just-Espert.
Diejenigen, die nach einem kurzen Fiebercheck am Eingang im Stadion dabei sein durften, mussten sich streng an die Hygieneregeln halten. So galt, eigentlich untypisch für eine Freiluft-Veranstaltung, die Maskenpflicht nicht nur auf dem Weg zum Platz, sondern dauerhaft an allen Orten im Stadion. Was anfangs etwas befremdlich war, nahm man aber nach einem kurzen „Bruddeln“ mehr oder weniger gerne in Kauf, da man einfach nur happy war, dass die Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte.

Eine von den SLK-Kliniken abgestellte Hygienebeauftragte sorgte im Stadion dafür, dass die Masken getragen und Abstände eingehalten wurden. Auch Vertreter der Stadt Heilbronn waren mit wachen Augen unterwegs, um in Einzelfällen Personen auf die Einhaltung der Regeln aufmerksam zu machen.
Die WerferInnen mussten zur Deutschen Meisterschaft mit ihren eigenen Geräten anreisen und Diskus, Kugel und Speer hinter dem Stadion bei der Gerätekontrolle abgeben. Andreas Schietinger, Kampfrichter und Geräteprüfer bei der TSG Heilbronn, und Erwin Veigel, Lehrwart für Geräteprüfung im WLV, nahmen die Geräte dort in Empfang, kontrollierten sie auf ihre Wettkampf-Konformität, desinfizierten und versahen sie dann mit der Startnummer der dazugehörenden Athleten, damit das Wettkampfgericht sie mit ins Stadion nehmen und dort ihren Besitzern aushändigen konnte.

Was wir bei allen Regelungen sehr schade fanden: Die siegreichen Athletinnen und Athleten durften sich über ihre Erfolge nicht wie gewohnt bei einer Siegerehrung freuen. Vielmehr ging es zu einem hinter dem Stadion aufgebauten Pavillon, wo sie ihre Medaillen und Urkunden einzeln abholen konnten.

Rosemarie Just-Espert berichtet, wie dies zustande gekommen war: „Ein paar Tage vorher hatten wir uns noch ein Konzept für Siegerehrungen mit Abstand überlegt. Dann stieg die Wocheninzidenz in Heilbronn auf über 40 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner an. Dazu kamen die Erfahrungen des DLV von den Mehrkampf-Meisterschaften in Vaterstetten, als sich die Medaillengewinner umarmten und mit Küsschen gratulierten. Das alles hat dann dazu geführt, dass die Siegerehrungen sicherheitshalber abgesagt wurden.“

Der Freude der Athleten über ihre Erfolge tat dies freilich keinen Abbruch. „Ich fand es super, dass die Meisterschaften überhaupt stattgefunden haben und ich den Titel holen konnte. Es ist halt den Umständen geschuldet, dass es jetzt ohne Siegerehrung ablaufen muss“, sagte der neue Deutsche U20-Meister im 10 Kilometer Gehen, Jakob Johannes Schmidt vom SC Potsdam. Auch für den frischgebackenen U18-Speerwurf-Meister Max Dehning von der LG Celle-Land war die fehlende Siegerehrung kein Drama: „Ich war schon bei so vielen Siegerehrungen, aber Deutscher U18-Meister war ich noch nie. Hauptsache ich habe gewonnen – man kann es eh nicht ändern, dass es keine Siegerehrung gibt.“

So kam es, dass Luca Mazzei an der Medaillenausgabe zum wohl beliebtesten Helfer an diesem Wochenende wurde. „Die Sportler kommen alle strahlend zu mir. Sie freuen sich einfach nur, dass der Wettkampf stattfinden kann. Was halt fehlt, ist der Applaus“, so der Mann, der die Medaillen und Urkunden überreichen durfte.

Damit die Veranstaltung auf einem so professionellen Level stattfinden konnte, hat die TSG Heilbronn die ganze Leichtathletik-Region mobilisiert. „Als einzelner Verein hätten wir das Event nicht allein stemmen können. Deshalb haben wir zusammen mit dem WLV sämtliche Vereine im Umkreis angesprochen und so viele Zusagen von Kampfrichtern und Helfern bekommen, dass wir als Region ein richtig gutes Zeichen setzen und signalisieren konnten: Wir können nicht nur diese, sondern auch kommende Großveranstaltungen stemmen“, erzählt Rosemarie Just-Espert.

Voll des Lobes ist die Leichtathletik-Abteilungsleiterin der TSG über die Zusammenarbeit mit DLV, WLV und der Stadt Heilbronn: „Wir haben von allen drei Seiten eine super Unterstützung erfahren und die Veranstaltung Hand in Hand durchgeführt. Die Zahnrädchen haben vom Aufbau bis zum Abbau perfekt ineinander gegriffen.“

Der reibungslose Ablauf, die perfekte Leichtathletik-Anlage im Frankenstadion, die trotz Maskenpflicht ungezwungene und gute Stimmung – dies alles ist auch dem Deutschen sowie dem Württembergischen Leichtathletik-Verband nicht entgangen. Sowohl DLV-Präsident Jürgen Kessing als auch sein Württembergischer Amtskollege Jürgen Scholz waren im Frankenstadion vor Ort und verabschiedeten sich unisono mit dem Gruß „Wir sehen uns wieder!“