Denise Krebs: Überwintern in Kenia

Es ist morgens fünf Uhr und es ist dunkel. Ich stehe schon auf, denn ich muss zum Flughafen. In den letzten Tagen konnte ich immer noch mit einem leichten Langarmshirt und einer dünnen Laufhose trainieren, und das bei herrlich goldenen Herbsttemperaturen. Heute wäre das nicht mehr gegangen. Denn heute früh liegt der erste Frost. Wir haben Anfang November, der kalte und dunkle Winter kommt jetzt in großen Schritten näher. Das sind keine guten Voraussetzungen für uns, um draußen gut trainieren zu können. Hätten wir kein Corona-Jahr, hätte ich schon mein erstes Höhentrainingslager für diesen Herbst absolviert und würde mich auf den zweiten Höhenblock vorbereiten. Dieses Jahr müssen wir es aber anders machen. Wie bei allem, was wir momentan tun, hat die Corona-Pandemie großen Einfluss. Aufgrund der Quarantäneregeln in Deutschland können wir nicht einfach wieder ein- bzw. ausreisen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, ein längeres Trainingslager zu absolvieren. Wir sind übrigens die Medaillenkandidatin für Olympia im Hindernislauf Gesa Krause, der deutsche Marathonrekordhalter Amanal Petros, U20- Europameisterin im Hindernislauf Lisa Oed, Marathonläuferin Fabienne Königstein, die Österreicherin Nada Pauer und ich. Klar, unser Trainer Wolfgang Heinig ist natürlich auch dabei.

Fotos: privat

Autor: Denise Krebs

5. März 2021

Oft kam die Frage auf: Dürft ihr überhaupt reisen? Natürlich haben wir uns vorher um ein ausführliches Schutzkonzept gekümmert und damit Verantwortliche überzeugen können.

Generell muss auch einmal deutlich gesagt werden: Wie soll man sich auf die Spiele vorbereiten und bei Olympia konkurrenzfähig sein, wenn in Deutschland keine optimale Vorbereitung möglich ist? Der Athlet ist in dieser Pandemiezeit gezwungen kreativ zu sein. So habe ich meinen Koffer also für sechs Wochen Kenia gepackt. Eine verrückt lange Zeit, denke ich mir und überlege weiter: „Bis ich wieder komme ist Weihnachten, und sollte ich gut durchkommen mit dem Training, habe ich einen guten Grundstein für den Sommer gelegt.“

Für den Moment habe ich auch ein schlechtes Gewissen und denke mir: „Was ich wohl alles verpassen werde?“ In Eldoret am Flughafen angekommen, haben wir 25 Grad und Sonnenschein. Der Hotelbesitzer erklärt uns, dass auch hier die Wirtschaft extrem unter der Pandemie leide. Sieben Monate, erklärte uns Jean-Paul, habe er sein Hotel schließen müssen und wir seien seine ersten Gäste. Gut für uns, denn wir haben eigene Pandemie-Regeln zu beachten: Einzelzimmer für alle, Training nur in dieser Gruppe, fremde Kontakte bestmöglich vermeiden und einen Covid-Schnelltest alle vier Tage. Die ersten Tage fallen mir auf 2.400 Meter schwer.

Ich bin immer müde, schlafe zwölf Stunden in der Nacht und habe keinen Hunger. Man könnte auch sagen, ich leide an einer Höhenkrankheit. Ach ja, und jeder normale Dauerlauf fühlt sich wie eine Qual an. Ich stelle fest, diese Höhe hat eigene Gesetze, und fange an, mich nach meinen persönlichen Pulswerten zu richten. Nicht leicht für mich, auf die äußerlichen Bedingungen einzugehen.

Ich erinnere mich sehr gut an einen Dauerlauf, bei dem ich 20 Kilometer laufen sollte. Ich war allein unterwegs, da ich so besser mein Körpergefühl steuern konnte. Nach ungefähr 15 absolvierten Kilometern passierte mir wohl eine typische kenianische Geschichte. Ein junges Mädchen, gekleidet mit einem Röckchen, Schlappen, ihrem Einkauf unter dem Arm und einer Maske vor Mund und Nase, stieg mit ein und feuerte mich an. Jetzt ging es mir noch schlechter, denn ich hatte nur eine kurze Hose und einen Sport-BH an und mir war nicht mehr zum Lachen. Eine Geschichte, die mir aber mittlerweile ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Generell sind die Menschen in Kenia sehr freundlich. Mit den Worten: „Welcome back“ freute man sich über uns auf den Laufstrecken. Und die Kinder an der Straße fragten jeden Tag: „How are you?“

Tag für Tag ging es mir letztlich besser und ich konnte an meine Form von zu Hause anknüpfen, so wie es sein sollte. Sechs Wochen Trainingslager ist nicht nur lang, sondern auch mental hart. ABARBEITEN, die Konzentration zu jeder Einheit hochhalten. Zwei Einheiten jeden Tag, Wochenende gibt es nicht. Die Tage sehen jeden Tag gleich aus. Die Landschaft ist zwar wunderschön, aber erleben tue ich nicht wirklich etwas, es geht ums Training und um die Regeneration. Mein Highlight in den Wochen: Die Fahrt zum Supermarkt nach Eldoret. Das war es.

Kurz vor der Abreise nach Hause planten wir unser nächstes Trainingslager in Südafrika im Januar. Doch daraus wurde nichts. Einreisen in Südafrika war ab Mitte Dezember aufgrund des mutierten SARS-Covid- Virus nicht mehr möglich. Tja, und die Alternative? Zwei Wochen über Weihnachten nach Hause und dann wieder nach Kenia. So haben wir es gemacht! Mittlerweile war ich also insgesamt neun Wochen in Kenia. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Privileg hatte, sicher zu reisen und bisher eine optimale Vorbereitung machen zu können.

Eure Denise Krebs