Comeback von Jara Ellinger: „Mein Ziel ist höher zu springen als Mama“

Als sie 14 Jahre alt war, übersprang Hochspringerin Jara Ellinger 1,73 Meter und katapultierte sich damit in die europäischen Top Ten des Jahrgangs 2001. Doch der Körper der Untergruppenbacherin spielte nicht mit – mit 16 brach sie sich einen Wirbelbogen, mit 17 den Mittelfuß. Jetzt, mit 18 Jahren, scheint die Leidenszeit der 1,81 Meter großen Modellathletin beendet zu sein. Im Juli 2019 sprang sie bei ihrem zweiten Hochsprung-Wettkampf auf nationaler Ebene nach fast dreijähriger Pause mit 1,74 Metern nicht nur eine neue persönliche Bestleistung, sondern holte damit auch gleich die Bronzemedaille der Deutschen U20-Meisterschaft. Die großen Höhen liegen bei Jara Ellinger quasi in den Genen – ihre Mutter Claudia hatte sich einst mit 1,88 Metern für die Olympischen Spiele 1992 qualifiziert, ihr Vater Markus war unter anderem Deutscher Hochschul-Meister im Stabhochsprung. Wir haben die TSG-Athletin zuhause bei ihren Eltern besucht…

Fotos: Marcel Tschamke, Markus Herkert (1)

Autor: Ralf Scherlinzky

9. Dezember 2019

Glückwunsch zum Comeback nach langer Pause. Wie erleichtert warst du, als du bei der Deutschen Meisterschaft Bronze geholt hast?
Jara Ellinger: Das war unglaublich befreiend und emotional. Ich war in den letzten drei Jahren immer mal wieder kurz vor dem Aufhören und hatte eine wirklich schwierige Zeit hinter mir. In den Tagen vor dem Wettkampf war ich dann auch noch ziemlich erkältet und habe mich morgens total platt gefühlt. Deshalb hatte ich mir auch null Chancen ausgerechnet und bin befreit und ohne große Ambitionen mitgesprungen.

Wie war es eigentlich zu deinen Verletzungen gekommen?
Jara Ellinger: Beide Verletzungen waren durch zu hohe Belastung im Training entstanden. Ich war im Wachstum, habe dreimal pro Woche in Stuttgart am Olympiastützpunkt und dazu noch ein, zwei Mal in Heilbronn ziemlich verbissen trainiert und hatte mir selbst enormen Druck gemacht. Irgendwann hat der Körper nicht mehr mitgespielt. Beide Verletzungen waren irgendwie schleichend aufgetaucht. Ich bin nicht allzu schmerzemp-findlich, insofern dachte ich, es sei normal, dass es bei hohem Trainingsaufwand an verschiedenen Stellen zwickt. Der Mittelfußbruch wurde sogar nur durch Zufall entdeckt, als ich wegen einer anderen Sache beim Arzt war. Am heftigsten war es für mich, als ich wegen meines Rückens nach Markgröningen an die Sportklinik überwiesen wurde und mir der Spezialist dort eröffnete, dass ich mit dieser Verletzung aufhören muss und nur noch etwas Hobbysport machen darf.

Und du hast trotzdem weitergemacht?
Jara Ellinger: Ja, denn wir haben recht schnell herausgefunden, dass viele Leistungssportler diese Art von Verletzung haben und man locker weiter Leistungssport machen kann, wenn man die Muskulatur um die Stelle herum gezielt aufbaut. Inzwischen ist der Rücken komplett ausgeheilt. Im Training merke ich nichts davon, nur wenn ich im Alltag zu lange stehe oder sitze, tut mein Rücken etwas weh.

Es heißt ja immer so schön „come back stronger“ und bei dir trifft das tatsächlich zu. Wo liegen die Gründe für das starke Comeback?
Jara Ellinger: Teils an meinem neuen Techniktrainer Harald Ehlke, aber auch sicher an der unermüdlichen Unterstützung durch meine Eltern. Harry und ich haben im Januar angefangen miteinander zu arbeiten – und zwar nicht mehr in Stuttgart, sondern hauptsächlich in Heilbronn. Er hat mir gesagt, dass ich es drauf habe wieder hoch zu springen. Ich dachte am Anfang, ja ja, das sehen wir dann, und ich glaube, ich habe ihm das Leben in den ersten Wochen auch nicht immer leicht gemacht. Aber pötzlich habe ich gemerkt, dass seine Trainingsmethoden fruchten. Früher habe ich pro Training bis zu 30 Sprünge gemacht, von denen teilweise einer verkorkster war als der andere. Heute stoppt mich Harry, wenn es nicht funktioniert, und ich mache selten mehr als 16 oder 18 Sprünge. Ich steige auch nicht mehr mit großen Höhen ins Training ein, sondern wir starten bei 1,50 oder 1,60 Metern. Von da ab steigern wir um 5 cm und sehen, wie weit es geht. Dadurch ist mein Anlauf viel lockerer und der Absprung flüssiger geworden, und das konnte ich in die Wettkämpfe übernehmen.

In der Vergangenheit hattest du dich ja auch immer wieder im Dreisprung versucht und warst da auch recht gut. Machst du hier auch weiter?
Jara Ellinger: Wir schauen mal, wie bzw. ob es im Winter jetzt reinpasst Der Schwerpunkt liegt in jedem Fall auf dem Hochsprung.

Du hast im Juli nicht nur dein Comeback gefeiert und DM-Bronze geholt, sondern auch noch dein Abitur erfolgreich abgeschlossen. Wie geht es für dich jetzt beruflich weiter?
Jara Ellinger: Es gibt vieles, was mich interessieren würde, aber ich bin mir noch nicht sicher, was ich wirklich machen möchte. Deshalb schnuppere ich jetzt ein Jahr in verschiedene Bereiche rein. Stefanie Wahl hat mir jetzt über die Sporthilfe Unterland eine Praktikumsstelle bei der Kreissparkasse Heilbronn vermittelt. Dort arbeite ich bis Jahresende an zwei, drei Tagen pro Woche.

Und was sind deine sportlichen Ziele in der näheren Zukunft?
Jara Ellinger: Grundsätzlich möchte ich jedes Jahr ein bisschen höher springen und nicht schlechter werden oder auf dem aktuellen Stand bleiben. Durch die 1,74 Meter habe ich mich für die Deutsche Jugendmeisterschaft in der Halle qualifiziert, die im Februar in Neubrandenburg stattfindet. Darauf trainiere ich jetzt im Herbst und Winter hin. In Nairobi findet 2020 auch die U20-Weltmeisterschaft statt. In Deutschland ist dafür die Konkurrenz aber sehr groß und stark. Da meine Mutter Schweizerin ist, könnte ich auch für die Schweiz starten, aber dort haben sie die Norm jetzt höher gelegt und ich müsste über 1,80 Meter springen, um überhaupt eine Chance auf die Qualifikation zu haben.

Gibt es auch Ziele für die etwas fernere Zukunft?
Jara Ellinger: Ja, ich habe ein ultimatives Ziel: Ich möchte irgendwann einmal höher springen als meine Mama. Sie war mit 23 Jahren 1,88 Meter gesprungen. Dafür habe ich noch ein paar Jahre Zeit, aber dieses Ziel möchte ich unbedingt erreichen!