Claudine Soliman – von der TG Böckingen zum DTB-Pokal
Claudine Soliman bei ihrer Bodenübung beim DTB Pokal.
Fotos: Thomas Kircher
Die Turn-Talentschmiede der TG Böckingen hat in den letzten Jahren regelmäßig große Talente hervorgebracht, die es step by step an die deutsche Spitze geschafft haben. Ob Milan Hosseini oder Daniel Wörz, Amelie Pfeil oder Antonia Alicke – interessierte Unterländer konnten ihren Weg von Klein auf mitverfolgen. Jetzt hat im März beim DTB Pokal in der Stuttgarter Porsche Arena mit Claudine Soliman eine weitere Athletin der TG Böckingen den Deutschen Turner-Bund auf der großen Bühne vertreten. Doch anders als die anderen TGB-Talente kannten bisher nur Insider den Namen der 15-Jährigen, die in der Bundesliga für die TG Karlsruhe-Söllingen turnt. Wir waren bei ihrem internationalen Debüt vor Ort und haben im Anschluss mit Claudine gesprochen, um sie unseren Lesern vorzustellen.
Text: Lara Auchter
Claudine, du warst in deinem Turnerinnenleben schon viel unterwegs. Wie kam es dazu, dass du für die TG Böckingen an den Start gehst?
Claudine Soliman: Ich bin in Ägypten geboren und habe, als wir nach Deutschland gezogen sind, einen Verein gesucht. Meinen Eltern und mir wurde damals gesagt, dass Heilbronn und besonders die Trainerin Annett Wiedemann eine gute Wahl seien. Ich habe dann in den Sommerferien ein Probetraining bei Annett gemacht, das mir sehr gut gefallen hat. So fiel meine Vereinswahl auf die TG Böckingen.
Du hast nach deinem Umzug nach Deutschland jedoch hauptsächlich am Olympiastützpunkt in Stuttgart sowie danach in Karlsruhe und jetzt in Chemnitz trainiert …
Claudine Soliman: Genau. Ich war nur gelegentlich in den Ferien in Heilbronn. In Stuttgart war ich insgesamt vier Jahre, habe mich dort in meinem letzten Jahr aber nicht mehr so wohl gefühlt und bin deshalb im Sommer 2023 an den Stützpunkt nach Karlsruhe gewechselt. Meine Trainerin Tatjana Bachmayer ist im Februar jedoch an den Stützpunkt nach Chemnitz gewechselt und so bin ich ihr einfach gefolgt. Dort gehe ich jetzt auch auf ein Sportgymnasium und besuche gerade die neunte Klasse.
Du kommst ursprünglich aus Ägypten und bist erst als Kind nach Deutschland gezogen. Was waren die Gründe für die Einwanderung?
Claudine Soliman: Mein Zwillingsbruder wurde schwer krank und somit sind wir für die bessere medizinische Behandlung nach Deutschland gezogen. Wir haben dann in Tübingen gewohnt. Da ich schon in Ägypten mit dem Turnen angefangen hatte, haben wir in der Nähe einen guten Verein gesucht. Mein Bruder ist dann aber leider verstorben und wir mussten für einen kurzen Zeitraum wieder zurück nach Ägypten. 2019 sind wir jedoch wieder nach Deutschland gekommen und seit Juli 2023 bin ich Deutsche Staatsbürgerin.
Du sprichst perfekt deutsch, obwohl du noch nicht lange in Deutschland lebst. Wie kommt das?
Claudine Soliman: Ich habe schon im Kindergarten Deutsch gelernt und war auch in Ägypten in einer deutschen Schule, da dies die beste Schule in Kairo ist. Und da ich als Kind auch schon länger hier war, spreche ich ziemlich gut Deutsch, auch wenn ich noch ab und zu ein paar Grammatikfehler einbaue (lacht).
Im März wurdest du vom Bundestrainer in das Aufgebot für den EnBW DTB-Pokal berufen und durftest in Stuttgart deinen ersten Senioren-Wettkampf turnen. Wie hast du dich dabei gefühlt?
Claudine Soliman: Das kam sehr überraschend, ich habe mich aber riesig darüber gefreut, dass ich endlich so einen großen Wettkampf turnen durfte. 2023 hatte ich mich ja schon für die Junioren-WM qualifiziert, konnte dort aber nicht starten, weil ich noch keine deutsche Staatsbürgerschaft hatte. Als ich dann meinen deutschen Pass endlich hatte, war ich für das European Youth Olympic Festival nominiert, hatte mich aber eine Woche vor dem Wettbewerb an Hand und Finger verletzt und konnte auch dort nicht turnen. Dass ich jetzt in Stuttgart meinen ersten Wettkampf in dieser großen Halle und vor dieser Kulisse turnen durfte, war deshalb ein sehr besonderes Erlebnis. Ich war auch sehr aufgeregt, weshalb mir ein paar kleine Fehler unterlaufen sind. Trotzdem konnte ich dem Team helfen und bin sehr glücklich darüber.
Was sind in diesem Jahr deine weiteren Ziele?
Claudine Soliman: Ich möchte mich für weitere Länderkämpfe qualifizieren und durch gute Leistungen bei den Deutschen Meisterschaften und in der Turn-Bundesliga viele Kaderpunkte sammeln. Dann möchte ich mich in Chemnitz einleben und meine Schule und meinen Sport weiterhin gut unter einen Hut bringen.
Claudine Soliman vor über 4.000 Zuschauern am Stufenbarren.
Bundestrainer Gerben Wiersma über Claudine Soliman:
Nach dem DTB Pokal haben wir Frauen-Bundestrainer Gerben Wiersma um seine persönliche Einschätzung zu Claudine gebeten:
„Claudine hat im Vorfeld gezeigt, dass sie sehr viel Potenzial hat. Sie hat besonders mit ihrem D-Score, also mit ihrem Schwierigkeitsniveau, überzeugt. Diese hohen D-Scores brauchen wir in einem Länderkampf, um unter die Top-Acht zu kommen. Claudine kann diese Werte bringen und die hoch bewerteten Übungen turnen, deshalb habe ich sie für den DTB Pokal nominiert. Sie hat im Training viele tolle Übungen gezeigt, konnte während des Wettkampf aber leider nicht alle so wiedergeben. Sie war auch nur für zwei Geräte eingeplant und hat trotz ihres Sturzes am Stufenbarren einen guten Wettkampf abgeliefert und konnte vor allem vor einer solchen Kulisse wichtige erste Erfahrungen sammeln. Sie hat großes Potenzial. Wenn sie bei ihren nächsten Wettkämpfen ihre Trainingsleistung abliefern kann, können wir noch viel von ihr erwarten. Ich hatte ihr vor dem Wettkampf gesagt, sie soll einfach Spaß haben, die Erfahrungen mitnehmen und auch sehen, was sie schon kann und woran sie noch arbeiten muss. Ich bin mir sicher, dass sie in den nächsten Jahren noch öfter Teil des Teams sein wird.“