Claudi & Kuno Konowski: 465 Kilometer zu Fuss durch´s Australische Outback

„THE TRACK“ ist der wohl härteste Self-Support-Lauf der Welt und findet alle zwei Jahre statt. Am 15. Mai 2019 haben sich 38 Läuferinnen und Läufer von Alice Springs aus auf den Weg gemacht, um in zehn Tagen 520 Kilometer durch das australische Outback zurückzulegen – unter ihnen die in Flein wohnenden Claudi (46 Jahre) und Kuno Konowski (51) von der TSG Heilbronn. Die beiden Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma waren uns zum ersten Mal beim Trollinger Marathon aufgefallen, als sie mit Ruck- und Schlafsäcken bepackt die Halbdistanz absolvierten. Verrückt genug, um genauer nachzufragen! Über die Sozialen Medien sind wir während THE TRACK immer up-to-date geblieben, wie die beiden vorankamen. Und nach ihrer Rückkehr haben wir uns nun mit den „Ultra Adventure Racern“ auf dem Schweinsbergturm getroffen, wo sie uns von ihrem Extrem-Abenteuer berichtet haben…

Fotos: Achim Gehrig (3), Canal-Aventure G.Pielke & D. Lemansky (3)

Autor: Ralf Scherlinzky

23. Juli 2019

Wie kommt man auf die Idee, bei extremsten Bedingungen mehrere hundert Kilometer durchs australische Outback zu laufen?
Claudi Konowski: Eigentlich hat das alles ganz harmlos begonnen. 2011 sind wir in Heilbronn erstmals den Firmenlauf gelaufen, danach beim Trolli 2012 unseren ersten Halbmarathon. Dann kamen Hindernisläufe dazu, ehe wir uns in Richtung Ultra-Läufe bewegt haben. 2015 habe ich ein Buch und ein Video über THE TRACK gelesen bzw. gesehen. Ich dachte mir, das ist total bescheuert, das müssen wir auch machen.
Kuno Konowski: 2017 haben wir dann in Namibia einen ähnlich gelagerten, aber kürzeren Lauf mitgemacht. Das war alles recht easy, da haben wir beschlossen uns noch im gleichen Jahr für 2019 anzumelden.

Welche Strecken muss man pro Woche laufen, um sich auf so ein extremes Event vorzubereiten?
Kuno Konowski: Wir hätten eigentlich 200 bis 250 Kilometer pro Woche machen müssen, sind aber auf wesentlich weniger gekommen. Dann hast du ja dann beim Event selbst noch einen fast zehn Kilogramm schweren Rucksack auf dem Rücken, der nochmal ganz andere Muskelgruppen beansprucht. Deshalb müssen auch Hüfte, Rücken und Schultern kräftig und stabil sein. Wir hatten uns schon vor längerer Zeit angewöhnt, nur noch mit Rucksack zu laufen, um diese Regionen mit zu trainieren.

Nach eineinhalb Jahren Vorbereitungszeit ist man dann ja sicher auf alles eingestellt, was einen vor Ort erwartet…
Claudi Konowski: …sollte man meinen, aber es ist nicht so. Schon als wir in Alice Springs aus dem Flugzeug gestiegen sind, war da diese unglaubliche Hitze und wir waren gleich von Hunderten von Fliegen umringt. Diese haben uns dann auch tatsächlich die ganzen zwei Wochen lang begleitet. Die krabbeln dir in Nase und Ohren rein und du kannst nichts dagegen machen. Deshalb haben wir dann auch sehr schnell unsere Fliegennetze ausgepackt und über die Köpfe gestülpt.
Kuno Konowski: Mit dem Stress vor Ort hatten wir in diesem Maß auch nicht gerechnet. Die zehn Lauftage waren komplett durchgetaktet. Morgens früh aufstehen, versuchen ein Feuer zu machen, um Kaffee zu kochen. Dann den Rucksack so packen, dass wieder alles reinpasst. Wasser holen, an die Startlinie gehen, versuchen die Tagesstrecke innerhalb von zehn Stunden zurückzulegen, dann im Ziel wieder das Zelt beziehen, Feuer machen, kochen, essen und meist recht unruhig schlafen.

Was hattet ihr in eurem Rucksack alles dabei?
Claudi Konowski: Nur das Nötigste. Verpflegung, Kochzeug, Feuerzeug, Kochgeschirr, Esbit-Tabletten, ein Erste-Hilfe-Kit, Schlafsack und Matratze sowie eine warme Jacke. Dazu kam noch ein paar Socken sowie ein Satz Unterwäsche zum Wechseln. Letztere haben wir tagsüber zum Trocknen auf den Rucksack gebunden, da alles vom Vortag extrem nassgeschwitzt war.

Wie muss man sich eine Etappe bei THE TRACK vorstellen? Läuft man oder geht man eher?
Kuno Konowski: Wir hatten uns vorgenommen, so viel wie möglich zu laufen. Doch das war oft schlichtweg nicht möglich, was wir am ersten Tag sehr schnell lernen mussten. Wir hatten die Zeiten vom letzten TRACK studiert und uns gewundert, dass die Läufer damals für 30 Kilometer mit 700 Höhenmetern sieben Stunden gebraucht hatten. Das hatten wir in den Alpen und bei anderen Läufen schon x-mal gemacht und wir dachten, das spulen wir locker runter. Am Ende waren wir den sieben Stunden dann aber doch recht nahe gekommen.
Claudi Konowski: Das Gelände war unbeschreiblich und hatte mit Wanderwegen nicht wirklich viel zu tun. Felsen, spitzer Schiefer, Geröll, kleine, wegrollende Steine, widerspenstige Grasbüschel – man musste fast bei jedem Schritt die Beine anheben, was unglaublich anstrengend war. Zügige Walking-Schritte zu machen oder gar zu laufen, war da kaum möglich.

Wer die Headline und die Einleitung auf der linken Seite aufmerksam gelesen hat, hat sich bestimmt schon über die Differenz eurer 465 Kilometer gegenüber der Gesamtdistanz von 520 Kilometern gewundert. Habt ihr tatsächlich 55 Kilometer vor dem Ziel aufgehört?
Kuno Konowski: Ja, leider. Die letzte Etappe war 137 Kilometer lang und wir hatten dafür 35 Stunden Zeit. Abends um 23 Uhr haben wir beschlossen, dass wir aussteigen. Unsere Beine sind trotz Laufstöcken einfach nur noch weggeknickt. Wir haben neun Tage lang jeden Tag zwischen 6.000 und 6.500 Kalorien verbraucht, haben es aber mit unseren Käsemacaroni und unserer Pasta Bolognese nur mit Ach und Krach geschafft, 2.000 Kalorien nachzulegen. Bis zum Ausstieg hatten wir also rund 60.000 Kalorien verbrannt. Ich habe ja normalerweise schon ausgeprägte Muskeln, aber die Wadenmuskulatur war einfach weg – das kann man sich gar nicht vorstellen.
Claudi Konowski: Wir hatten zwar Walken mit Rucksack trainiert, aber nie so weit wie auf der letzten Etappe. Hätten wir mehr laufen als walken gekonnt, wären wir vielleicht ins Ziel gekommen, aber so war muskulär alles durcheinander. Dazu hatten wir noch diesen grauslichen Untergrund. Das war quasi eine dauerhafte Fußreflexzonenmassage. Da ist im ganzen Feld keiner mehr gerannt und die Füße haben entsprechend ausgesehen. Auf der letzten Etappe sind die Leute nur noch geschwankt, das war der reinste Zombie Walk.
Kuno Konowski: Durch den Ausstieg sind wir zwar aus der Zeitwertung rausgeflogen, waren aber immer noch in der Kilometerwertung drin. Deshalb sind wir dann zwei Kilometer vor dem Ziel nochmal aus dem Auto ausgestiegen, um über die Ziellinie zu gehen und unser Finisher-Foto zu bekommen. Mit unseren 465 Kilometern stehen wir unter 38 Startern nun auf Platz 20 in der Ergebnisliste.

Wenn ihr nun mit etwas Abstand zurückblickt – haben sich die ganzen Strapazen dann gelohnt?
Claudi Konowski: Auf jeden Fall!!! Natürlich geht uns der Ausstieg noch nach, aber THE TRACK war ein tolles Erlebnis, das uns keiner mehr nehmen kann. Mein persönliches Highlight war die viele rote Erde, die ewige Weite links und rechts von uns, die kleinen Büsche. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich schon wieder feuchte Augen. Das war einfach überwältigend.
Kuno Konowski: Manchmal bin ich einfach stehen geblieben und habe die Landschaft genossen. Faszinierend fand ich auch die Herden von Wildpferden, die mit vollem Karacho über die Wege gebrettert sind. Die haben dort ein richtiges Wegenetz, das durchs Outback führt. Für mich war es ein absolutes Privileg, dort zu laufen und das alles erleben zu dürfen!
Claudi Konowski: Mit etwas Abstand betrachtet, fragt man sich schon, ob das wirklich alles so schlimm und der Ausstieg wirklich nötig war. Momentan sagen wir uns eher: Nach THE TRACK ist vor THE TRACK – auf ein Neues 2021!