BSG Neckarsulm: Inklusion muss langfristig sein

Noch in der Ausgabe 20 des SPORTHEILBRONN-Magazins sprach Heike Acker, Vorsitzende der Behindertensportgemeinschaft (BSG) Neckarsulm über Unified-Teams und deren Bedeutung bei der Inklusion von Menschen mit mentaler Beeinträchtigung. „Eines meiner Ziele ist es, eine Unified-Mannschaft zu gründen“, sagte sie uns damals. Jetzt ist es toll zu berichten, dass sich in Neckarsulm inzwischen – mit Leidenschaft voran getrieben durch das „Hope for Children“-Vorstandsmitglied Marco Fackler – tatsächlich eine Laufgruppe mit Menschen sowohl mit als auch ohne mentaler Beeinträchtigung gebildet hat. Die Energie und der Trainingsfleiß der Läufer und Läuferinnen haben uns sehr begeistert und man wurde beim montagabendlichen Besuch im Pichterichpark schon fast dazu verleitet, seine eigenen Laufschuhe mal wieder hervorzuholen und ein paar Runden mit den Jungs und Mädels der BSG zu drehen. Wir haben mit Heike Acker über die Laufgruppe gesprochen… 

Autor: Lena Staiger

11. August 2021

Die Unified-Laufgruppe im Pichterichpark. 
Foto: Achim Gehrig 

Erschöpft, aber glücklich: die Unified-Laufgruppe um „Antreiber“ Marco Fackler (hintere Reihe rechts).

Schön zu sehen, dass es mit der Unified-Laufgruppe jetzt so schnell ging. Wie kam die Gruppe nach dem Lockdown zustande?
Heike Acker: Ich habe bei Instagram einen Aufruf gestartet, dass wir nach Unified-Partnern für unsere Sportlerinnen und Sportler suchen. Daraufhin hat sich Marco Fackler vom Verein „Hope for Children“ gemeldet und hat die Info an seine Fußball-Kollegen weitergegeben. Er selbst läuft auch Woche für Woche begeistert mit. Das Ganze hat sich dann per Mund-zu-Mund-Propaganda weiter verbreitet.

Wer sind eure Unified-Partner und aus welchen Sportarten kommen sie?
Heike Acker: Wir haben regelmäßig Fußballer dabei, genauso wie Leichtathleten von der Sport-Union Neckarsulm – darunter auch einen Marathonläufer. Und es laufen auch einige Freizeitsportler mit. Zu Beginn sind wir wegen der strengen Hygieneauflagen in 1:1- oder 1:2-Verhältnissen von Unified-Partnern zu Menschen mit mentaler Beeinträchtigung gelaufen. Inzwischen sind die meisten geimpft, der Rest ist getestet. Dadurch können wir die Sportlerinnen und Sportler in Kleingruppen je nach Leistungsniveau aufteilen.

Man hat auch den Eindruck, dass sich alle hier richtig wohl fühlen…
Heike Acker: Ja, es ist wirklich familiär, alle strahlen beim Laufen. Das hätte ich niemals gedacht. Die meisten der Sportlerinnen und Sportler mit mentaler Beeinträchtigung kommen aus der Fußballmannschaft, zwei Schwimmer sind auch dabei. Wenn ich im Fußballtraining sage wir laufen jetzt zum Warmmachen, zeigen dir mir den Vogel. Hier ist zum Beispiel ein Sportler dabei, der auf dem Platz keine 800 Meter läuft. Hier rennt er auf einmal freiwillig acht Kilometer!

Woran liegt das?
Heike Acker: Ich denke es liegt einfach an der Stimmung im gesamten Team. Die Unified-Partner sind natürlich auch große Vorbilder für meine Jungs und Mädels. Am Ende des Trainings laufen alle noch einen Staffellauf in Teams gegeneinander. Das ist immer eine Riesengaudi. Manche bekommen aber auch da nicht genug und wollen sich nach dem Training nochmal in ein paar Sprints mit den Unified-Partnern messen. Allgemein gehen wir an das ganze Thema Training auch sehr entspannt ran, jeder gibt, was er oder sie geben kann. Neulich haben wir zum Trainingsabschluss auch mal eine Familienpizza bestellt, das war natürlich ein absolutes Highlight für alle.

Was ihr hier macht, ist ja absolut gelebte Inklusion. Ein großes Vorbild für andere Menschen…
Heike Acker: Ja, ich denke, die Unified-Laufgruppe ist eine tolle Sache, vor allem weil es etwas Langfristiges ist. Inklusion muss langfristig sein. Es bringt keinem etwas, wenn ein paar Sportler mit mentaler Beeinträchtigung mal bei einem Verein in zwei oder drei Trainingseinheiten mitlaufen dürfen und das wars dann wieder. Auf der anderen Seite haben wir hier auch einen Athleten, der von einem Unified-Partner ins Training der Sport-Union Neckarsulm mitgenommen wurde. Er hat im Sprint den zweiten Platz belegt und war teilweise deutlich schneller als die Athleten ohne Beeinträchtigung!

Müssen die Unified Partner besondere Eigenschaften mitbringen, um bei euch mitlaufen zu dürfen?
Heike Acker: Das Einzige, was man mitbringen muss, ist ein großes Herz für unsere Sportlerinnen und Sportler. Einfühlungsvermögen und Offenheit braucht man, um ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, das ist das Wichtigste. Man erlebt mit unseren Athletinnen und Athleten auch immer wieder lustige Momente. Einmal waren wir beispielsweise auf einem Fußballturnier und haben gegen Frankreich gespielt. Mit bei uns dabei war ein Autist, der nicht wirklich spielen konnte. Er war immer nur die Außenlinie hoch und runter gelaufen. Ich wusste, dass bei den Franzosen ein sehr guter Spieler auf dem Platz steht und sagte zu ihm, dass er sich, egal was der Franzose macht, an dessen Fersen hängen soll. Nach einiger Zeit habe ich dann unsere Mannschaft durchgezählt und bemerkt, dass wir einen Spieler zu wenig auf dem Feld hatten. Was war passiert? Der Franzose wurde ausgewechselt und unser Spieler ist mit vom Platz gegangen. Da hatte ich wohl meine Worte schlecht gewählt (lacht).

Nach dem Staffellauf zum Ende des Trainings ist die Freude groß, es wird lauthals „So sehen Sieger aus“ gesungen. Welches Team den Staffellauf gewonnen hat, ist dabei erstmal egal. Bei der Verabschiedung freuen sich alle schon auf die nächste Einheit am Montagabend.
Die Unified-Laufgruppe der BSG ist wirklich eine tolle Sache und bietet jedem Menschen, der mitmacht, einen echten Gewinn. Habt ihr Interesse mitzulaufen? Dann meldet euch bei Heike Acker unter 0157 5404 0718.