Bettina Englisch: Europameisterin W40 im Halbmarathon

Eigentlich war der Name Bettina Englisch in den letzten Jahren meist im Zusammenhang mit dem Trollinger Marathon und anderen regionalen Läufen gefallen. Spätestens seit die Läuferin der TSG Heilbronn 2021 in der Altersgruppe W40 die deutschen Meistertitel im Halbmarathon und über zehn Kilometer geholt hat, kennt man die Stockheimerin auch deutschlandweit. Ende Mai hat die 42-Jährige nun erstmals das deutsche Nationaltrikot übergestreift, um im italienischen Grosseto an den Halbmarathon-Europameisterschaften der „Senioren“ teilzunehmen. Sie reiste nach Italien mit dem Ziel, eventuell eine Medaille zu gewinnen – und kehrte als Europameisterin zurück. Grund genug für die SPORTHEILBRONN-Redaktion, Bettina Englisch in Stockheim zu besuchen und alles über den ereignisreichen Wettkampf zu erfahren.

Die neue Europameisterin (rechts) mit der zweitplatzierten Italienerin, die alles andere als begeistert darüber war, dass ihr Bettina Englisch vor eigenem Publikum die Show gestohlen hat.

Foto privat

Autor: Steffi Hägele

1. August 2022

Herzlichen Glückwunsch zur Goldmedaille bei den Europameisterschaften. Wie hast du dich für den Wettkampf qualifiziert?
Bettina Englisch: Danke! Ich musste mich für den Wettkampf nicht qualifizieren, ich habe mich einfach angemeldet (lacht). Bei uns Senioren läuft das alles lockerer als bei den jüngeren Sportlern. Ich habe mir einfach das Nationaltrikot bestellt, denn ohne dieses dürfte ich an internationalen Wettkämpfen nicht teilnehmen. Auch wenn ich es selbst bezahlen musste: Es war schon ein schönes Gefühl, mit dem „GERMANY“-Schriftzug auf der Brust zu laufen

Du hast zuvor auch am Trollinger Marathon teilgenommen, den du einmal mehr gewonnen hast. Wie hast du dich sonst noch auf dein Internationales Debüt vorbereitet?
Bettina Englisch: Nachdem endlich wieder Wettkämpfe stattfinden durften, habe ich quasi an jedem Lauf teilgenommen, den es gab. Der Trolli war dann eine Woche vor der Europameisterschaft und für mich war klar, dass ich trotz der EM beim Halbmarathon in Heilbronn dabei sein möchte. Es war für mich ein „Genusslauf“ und ehrlich gesagt habe ich zwischendurch mit paar Kindern am Rand abgeklatscht und auch mit meiner Radbegleitung gequatscht (lacht). Dass ich den Trolli dann mit 1:21 Stunden so deutlich gewinnen würde, damit hatte ich anfangs nicht gerechnet. Aber ich wusste, eine Woche später würde es in Italien nicht so entspannt werden…

Wie war dort die Atmosphäre und wie hast du die EM erlebt?
Bettina Englisch: Die Atmosphäre und das Wetter dort waren toll. Es war zwar ziemlich warm, aber es war ein echt schönes Erlebnis. Ich hatte den Luxus, mit Raphael und Michael zwei deutsche Tempoläufer gehabt zu haben, die mich erst am Vorabend über Instagram kontaktiert hatten und mir im Lauf extrem geholfen haben. Bevor es losging, wurden wir nochmal zum Callroom gerufen, wo alle ausländischen Teilnehmer brav hingegangen sind. Danach bin ich in der Startaufstellung nicht mehr ganz nach vorne gekommen, da dort nun die ganzen Italiener standen, die sich den Callroom geschenkt hatten. Deshalb musste ich mich nach dem Start erstmal mühsam nach vorne kämpfen. Im Vorfeld hatte ich zwei Italienerinnen ausgemacht, die so ausgesehen haben, als könnten sie schnell sein. Als ich dann die erste der beiden überholt hatte, war ich mir sicher, dass eine Medaille drin ist. Zwei Kilometer vor dem Ziel sah ich die zweite Italienerin vor mir und ich wusste, dass Gold in greifbarer Nähe war. Einen Kilometer vor dem Ziel habe ich sie dann überholt und meine Tempoläufer haben mich auf dem Laufenden gehalten, was hinter mir abging. Erst meinten sie „gib Gas“, dann „sprinte“. Am Ende kam ich nicht nur zwei Sekunden vor der Italienerin ins Ziel, sondern war auch die schnellste Frau im Feld. Herzlichen Dank an dieser Stelle auch nochmal an Raphael und Michael. Ich weiß nicht, wie es ohne die beiden ausgegangen wäre. Die Italienerin war eine schlechte Verliererin, sie hat mir nicht mal die Hand gegeben und hat ein sehr beleidigtes Gesicht gezogen.

Und dann wurde die Nationalhymne für dich gespielt…
Bettina Englisch: Das war ein unglaublich schönes Gefühl, auch wenn die Italienerin neben mir nicht so begeistert war (lacht). Zu wissen, dass die Hymne für mich gespielt wurde, war ergreifend.

Ist die Titelverteidigung 2023 ein Ziel für dich und was steht sonst in deinem Wettkampfkalender?
Bettina Englisch: International an den Start zu gehen, macht schon Spaß. Ich habe bereits geschaut, wann und wo nächstes Jahr Wettkämpfe stattfinden. Mein Mann und ich verbinden meine Läufe immer sehr gerne mit einem kurzen Urlaubstrip. Das nächste Mal bin ich auch auf jeden Fall wieder dabei und werde meinen EM-Titel verteidigen – sehr gerne auch gegen die Italienerin, die am Ende sogar noch mit einem Protest meine Disqualifikation erzwingen wollte.