Aylina „The Angel“: Der Engel fliegt aus

Aylina Engel wird flügge. Nach einer knappen Niederlage im bisher bedeutungsvollsten Fight ihrer Karriere macht die 21-jährige Muay Thai- und K1-Kämpferin einen radikalen Schnitt und bricht aus ihrer Wohlfülzone aus: Neue Ausbildung, neues Gym, neuer Wohnort!

Fotos: Enfusion, Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

28. Oktober 2020

Im September bist du in Holland recht siegessicher zum Enfusion-Titelkampf gegen Sarel de Jong angetreten, musstest dann aber eine knappe Niederlage einstecken. Woran lag es, dass es nicht geklappt hat?
Aylina Engel: Ich wusste genau, wie ich gegen sie in den Kampf gehen muss. Der Kopf und der Geist waren im Ring auch voll da, aber der Körper hat nicht mitgespielt. Die Vorbereitung war nicht ideal gelaufen und der Sprung in die um zehn Kilogramm schwerere Klasse war schon eine gewaltige Umstellung – was jetzt aber keine Ausrede sein soll…

Wie kam es dazu, dass du um zehn Kilo nach oben gegangen bist?
Aylina Engel: Ich habe mich während des Lockdowns so gut wie möglich fit gehalten. Aber die Gelegenheit war auch günstig, dass ich meinem Körper mal etwas Ruhe gönne, was sonst nicht geht. Dadurch lag ich eh schon etwas über meinem normalen Gewicht. Als dann das Angebot für den 61-Kilogramm-Fight kam, habe ich spontan zugesagt und hatte noch acht Wochen Zeit zur Vorbereitung.

Mit einem Sieg hättest du dich ziemlich weit nach oben katapultieren können und eventuell sogar einen Profivertrag bekommen…
Aylina Engel: Genau. Enfusion ist eine Marke, die im Kampfsport jeder kennt. Meine Gegnerin wurde 2019 zur besten Enfusion-Kämpferin weltweit gewählt und sie ist Trägerin von zwei Weltmeistertiteln. Bei einem Sieg wären die Chancen auf einen Enfusion-Vertrag hoch gewesen, da sie noch keine deutsche Kämpferin unter Vertrag haben. Trotz der Niederlage hat mir der Kampf aber sehr viel gebracht.

Unter anderem die Erkenntnis, dass die Zeit für eine persönliche Runderneuerung gekommen ist?
Aylina Engel: Der Gedanke daran war schon früher gereift. Ich habe gefühlt, dass ich nicht mehr wirklich weiterkomme, wenn ich in meiner Komfortzone bleibe. Mein Ziel ist es, irgendwann mal die Besten der Besten zu schlagen – deshalb musste ich jetzt ausbrechen.

Wie sieht dieser Ausbruch aus der Komfortzone genau aus?
Aylina Engel: Zuerst habe ich mein duales Studium zur Fitnessökonomin abgebrochen und stattdessen eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement mit Schwerpunkt Marketing begonnen. Ende des Jahres ziehe ich zudem bei meinen Eltern aus und werde Heilbronn in Richtung Haßloch verlassen. Ich hatte mich dort im Gym von Maxim Kalashnikov schon auf den Enfusion-Kampf vorbereitet und sehe dort die besten Möglichkeiten, um mich sportlich weiter zu entwickeln. Da meine Ausbildungsstelle in Neckarsulm ist, werde ich dennoch oft in der Region sein, da ich ja täglich pendeln muss.

Das klingt nicht unbedingt nach weniger Stress als bisher. Was sagt denn dein neuer Arbeitgeber zu deinen sportlichen Aktivitäten?
Aylina Engel: Ich hatte schon zum Bewerbungsgespräch meinen Europameistergürtel und ein großes Plakat mitgebracht. Meine jetzige Ausbildungsleiterin war da gleich Feuer und Flamme und ich bin echt glücklich darüber, dass der Betrieb alles respektiert und mich unterstützt.

Wie läuft eigentlich Kampfsport zu Corona-Zeiten? Oder anders gefragt: Welche Corona-Maßnahmen gab es beim Enfusion-Event in Holland?
Aylina Engel: Als Sportlerin habe ich dort nicht viel von Coronamaßnahmen mitbekommen. Wir hatten weder Maskenpflicht noch mussten wir einen negativen Test vorweisen. In der Halle waren jedoch als Zuschauer nur 100 VIP-Gäste zugelassen. Die Tische standen weit auseinander und pro Tisch durften nur drei Personen sitzen.