Antonia Alicke und Milan Hosseini – Zwei „Auswärtige“ auf Heimatbesuch in Böckingen

Antonia Alicke und Milan Hosseini treffen im Juni bei der TG Böckingen aufeinander, wo die Turnkarrieren der beiden ihren Anfang nahmen. Der Besuch in Heilbronn ist für die 20-Jährige ein kurzer Zwischenstopp auf dem Weg zum Doppelbachelor in Psychologie und Kriminologie, den sie trotz Auflösung ihres Uni-Turnteams UIC Flames in Chicago weiterführen wird. Milan hingegen bereitet sich nach einer Verletzung am Handgelenk auf die Deutschen Jugendmeisterschaften vor. Das frisch gebackene Mitglied des Turnteams Deutschland besucht seit der neunten Klasse das Gymnasium am Olympiastützpunkt Berlin.

Fotos: Marcel Tschamke (3), Antonia Allicke privat (1), www.sportfotos-berlin.de (1)

Autor: Natalie Rothenbaecher

20. Juli 2019

Antonia Alicke

Im Winter 2017 nahm sie das Stipendium in Chicago an, im Bewusstsein dass sich ihre Turnkarriere ab sofort nur noch in den USA abspielen würde. Der Aufruf #saveUICgym und die große Beteiligung vieler Unterstützer habe leider nicht viel an der Entscheidung der Universitätsleitung geändert, das Team aufzulösen, erzählt Antonia. Trotz Enttäuschung über diese Nachricht machte ihr Team das Beste aus dem letzten gemeinsamen Jahr. „Es war die beste Saison seit langem für unser Team, das war dann eigentlich richtig schön zum Aufhören“ berichtet Antonia.

Mit hohen Wertungen und vielen gewonnenen Wettbewerben verpassten sie und ihre Turnkollegen knapp die Auswahl der besten 36 Teams und verschwanden somit mit viel Würde von der Bildfläche.

„Ein Wechsel zu einer anderen Uni kam nicht in Frage“ meint Antonia. Um einen Abschluss machen zu können muss man mindestens zwei Jahre an der gleichen Universität studiert haben und Stipendien werden vorwiegend an Neulinge vergeben. Die durch das fehlende Training frei gewordene Zeit nutzt die disziplinierte Ex-Turnerin nicht zum Ausruhen, sondern zum Verkürzen der Studierzeit um ein Semester. Während ihres Aufenthalts in Deutschland, hält sie bereits Ausschau für einen passenden Doppelmasterstudiengang in Berlin oder Hamburg.

„Ich nehme jetzt erstmal etwas Abstand zur Turnhalle“, antwortet Antonia auf die Frage, wie viel Raum Turnen zukünftig in ihrem Leben einnehmen soll, wobei sie ein Comeback als Trainerin oder Kampfrichterin nicht ausschließt. Vorerst richtet sich dennoch alles nach dem Motto „Neue Sachen ausprobieren und grundsätzlich fit bleiben“.

Milan Hosseini

Umbruchstimmung herrscht ein Stück weit auch bei Milan in seinem Übergangsjahr von der Altersklasse Junioren auf Senioren und als neues Mitglied im Turnteam Deutschland, der Auswahl mit den besten 27 Turnern Deutschlands. Zudem turnt Milan mit seinem Team TuS Vinnhorst seit diesem Jahr nun auch in der ersten Bundesliga mit.

In seinem Internat zieht er in die Oberstufe ein, die sich wegen des hohen Trainingsaufwands auf drei Jahre verteilt.

Schmunzelnd erinnert sich Herbert Tabler, der Vorsitzende der Turngemeinde Böckingen, an den damals 12-jährigen Milan, der schon früh anfing von einer Goldmedaille bei einer Weltmeisterschaft oder Olympiade zu träumen.

Für den heute 17-Jährigen scheint dieses Ziel aufgrund seiner Top-Leistungen im Vorjahr und dem laut Tabler ausstehenden Generationenwechsel in der Turnnationalmannschaft nach der Olympiade in Tokio 2020 gar nicht so weit her geholt.

Für die Teilnahme bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires des vorigen Jahres musste der amtierende Deutsche Juniorenmeister dennoch seinem Teamkollegen und Trainingspartner Daniel Schwed Platz machen.

2016 war das erfolgreichste Jahr in der Karriere von Antonia Alicke. Erst gewann die damals 17-jährige Turnerin der TG Böckingen bei der Deutschen Meisterschaft im Sprung die Silbermedaille, ehe sie mit dem MTV Stuttgart Deutsche Mannschaftsmeisterin wurde. Zum Abschluss ihres erfolgreichsten Sportjahres durfte die Talheimerin dann noch mit der Nationalmannschaft zum Toyota-Cup nach Japan fliegen, wo sie einen achten Platz am Sprung und einen fünften am Schwebebalken sowie den neunten Rang beim Bodenturnen erreichte.

Ein weiteres Highlight ihrer Karriere war 2017 die Teilnahme bei der Universiade in Taipeh, wo sie mit dem deutschen Team Platz vier holte.

In den letzten beiden Monaten warf ihn eine Verletzung am Handgelenk im Training zurück. „Nach sowas ist es schwer wieder zurück zu kommen, aber ich versuche einfach meine beste Leistung zu zeigen und habe für die ausstehenden Deutschen Jugendmeisterschaften erstmal nicht allzu hohe Erwartungen“, meint Milan zu seinem Einstieg ins normale Training und in die Wettbewerbs-
phase.

Die zwei ,,Auswärtigen“ stehen an verschiedenen Punkten ihrer Karriere und haben über den Sport jeweils ein zweites Zuhause gefunden. Doch wenn sie in Heilbronn sind, schauen sie gerne bei ihrem Heimatverein vorbei.

Milan Hosseini besucht seit 2015 das Schul- und Leistungssportzentrum am Olympiastützpunkt Berlin.

Mit sechs Jahren begann der heute 17-jährige Fleiner bei der TG Böckingen mit dem Turnen. Drei Jahre später holte er seinen ersten Württembergischen Meistertitel im Mehrkampf. 2012 wurde er in den Perspektivkader des Deutschen Turnerbundes berufen. 2018 feierte er mit der Deutschen Jugendmeisterschaft am Boden seinen bislang größten Erfolg.
Logische Konsequenz seiner Erfolge und seiner kontinuierlichen Arbeit war nun im Frühjahr 2019 die Berufung in das Turnteam Deutschland, die erweiterte Nationalmannschaft des Deutschen Turnerbundes.