Annabella Sterzik und Xenia Merkle: U18-Nationalspielerinnen mit großen Zielen

Mal ehrlich: Der Gedanke an den Eishockeysport in Heilbronn ruft nicht unbedingt Assoziationen zum Damen-Eishockey hervor, war die schnellste Mannschaftssportart der Welt in der Stadt seit den Achtzigerjahren doch stets eine Männerdomäne gewesen. Doch unter dem Radar der Öffentlichkeit sind in den letzten Jahren mit Xenia Merkle (18) und Annabella Sterzik (15) ganz heimlich, still und leise zwei Talente herangereift, die das deutsche Damen-Eishockey in den nächsten Jahren mit prägen werden und sich berechtigte Hoffnungen auf eine Olympia-Teilnahme machen. Wir stellen die beiden U18-Nationalspielerinnen vor.

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

24. April 2019

„Meine Brüder haben damals beide Eishockey gespielt und ich war immer in der Eishalle dabei. Da wollte ich es auch mal ausprobieren und bin mit vier Jahren mit auf‘s Eis gegangen“, erinnert sich Annabella Sterzik an jenen Spätnachmittag im Jahr 2008, als sie und Xenia Merkle unabhängig voneinander, aber doch gemeinsam ihr erstes Training im Nachwuchs des Heilbronner EC absolviert haben. „Bei mir war es ähnlich. Mich hatte damals mit sieben Jahren eine Freundin mitgenommen und der Sport hat mich gleich fasziniert“, ergänzt Xenia Merkle.

Elf Jahre später spielen die beiden immer noch zusammen in einem Team, auch wenn sie nicht mehr für denselben Verein dem Puck hinterherjagen. Im Januar 2019 standen die beiden Mädchen bei der U18-Weltmeisterschaft in Österreich gemeinsam auf dem Eis – Xenia als Älteste und „Anni“ als jüngstes Teammitglied.

Mit 18 Jahren ist für Xenia Merkle im U18-Team nun Schluss. „Als nächstes wäre jetzt die A-Nationalmannschaft dran, aber es wird schwierig, da reinzukommen. Da sind viele Ältere drin, die über lange Jahre eingespielt sind und viel Erfahrung haben“, schätzt sie ihre momentanen Chancen realistisch ein.

In der gerade abgelaufenen Saison spielte die Verteidigerin sowohl im U20-Team des Heilbronner EC in der DNL3 als auch in der Damen-Bundesliga für die Mad Dogs Mannheim. „Ich war dreimal pro Woche in Heilbronn und einmal in Mannheim auf dem Eis. Dann habe ich aber gemerkt, dass ich mit den Jungs körperlich nicht mehr mithalten konnte. Deshalb habe ich den Versuch mit Mannheim gestartet. Dort hat es mir gleich super gefallen, weshalb ich nun im kommenden Jahr nur noch für Mannheim spielen werde. Ich mache jetzt mein Abi und schaue dann, dass ich in Mannheim oder Heidelberg studieren und ganz nach Mannheim ziehen kann.“

Auch Annabella Sterzik hat inzwischen den Verein gewechselt und trägt jetzt das Trikot des SC Bietigheim-Bissingen. Schon in ihrem ersten Jahr hat sie sich dort enorm weiterentwickelt. „In Heilbronn gibt es leider kein U17-Team mehr in der Schüler-Bundesliga. Ich möchte aber Schüler-Bundesliga spielen, um mich weiter zu verbessern. Deshalb will ich in Bietigheim in der kommenden Saison erneut angreifen“, erklärt die Neuntklässlerin.

„Für eine Spielerin von Annis Qualität ist es wichtig, dass sie möglichst lange und auf möglichst hohem Niveau mit Jungs zusammen spielt, denn da sind die Mädchen weit mehr gefordert als in einem Damenteam“, erklärt Vladimir Grof, der Xenia und Anni ab dem U10-Alter gemeinsam mit anderen Coaches trainiert hat. „Bis zur U20-Mannschaft ist das noch möglich, ehe die Jungs dann zu Männern und körperlich zu stark werden.“

Obwohl sie in der U18-Nationalmannschaft die Jüngste war, bekam Annabella Sterzik bei der WM in Österreich schon viel Verantwortung. „Ich war sowohl in Überzahl als auch in Unterzahl auf dem Eis und bin in fünf Spielen auf ein Tor und eine Vorlage gekommen“, so die Mittelstürmerin stolz. Da sie mit 15 Jahren auch noch für das U16-Nationalteam spielberechtigt ist, kann die Realschülerin international noch eine weitere Saison zweigleisig fahren. „Das ist klasse, da sind ständig Lehrgänge und Länderspiele und ich bekomme viele Einsätze. Wie jetzt im April. Vom 12. bis 14.4. bin ich beim U16-Lehrgang in Füssen und vom 21. bis 30. dann beim Europapokal in Tschechien.“

Wie wird der Deutsche Eishockey-Bund eigentlich auf Kandidatinnen für seine Nachwuchsteams aufmerksam? „Ich wurde damals vom Baden-Württembergischen Eishockeyverband zu einer Sichtung nach Mannheim eingeladen. Dort hat man meinen Namen an den DEB weitergegeben, der dann wiederum die Besten aus verschiedenen Bundesländern eingeladen hat. Und dort habe ich mich wohl als gut herauskristallisiert und wurde in die U15-Nationalmannschaft geholt“, erzählt Xenia Merkle.

Für Annabella Sterzik war die erste Einladung überraschend gekommen. „Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet, habe mich dann aber auf dem Eis mit den anderen verglichen und dabei festgestellt, dass ich ja gar nicht so schlecht bin“, schmunzelt die 15-Jährige.

Ab wann war denn das große Talent der beiden erkennbar, fragen wir ihren ehemaligen Trainer „Vladi“ Grof. „Bei den beiden hat von Anfang an eigentlich nicht das Talent überwogen, sondern die Lust und der Wille sich zu verbessern. Man hat eine Beständigkeit gesehen. Sie waren regelmäßig beim Training und haben sich Schritt für Schritt entwickelt. Und irgendwann kam dann der Zeitpunkt, an dem wir erkannt haben, welche Talente wir mit den beiden haben“, erinnert sich der 50-Jährige und wird dabei sentimental: „Wenn ich an die vielen gemeinsamen Termine denke, Samstagmorgens um acht Uhr in Freiburg, Ravensburg und Frankfurt – und dann sehe ich jetzt, was aus den beiden geworden ist… Es ist einfach schön, wie sie sich entwickelt haben. Darauf können wir stolz sein und es zeigt, dass wir in Heilbronn in den letzten Jahren eine gute Arbeit gemacht haben.“

Dass man in Deutschland keine Chance hat als Eishockeyspielerin seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist beiden klar. Deshalb büffelt Anni Sterzik während der täglichen Zug- oder Autofahrt nach Bietigheim, „um in der Schule gut zu bleiben“, während Xenia Merkle nach dem Abi ein Studium „im Bereich Biologie oder Chemie“ anstrebt.

Ein großes Ziel haben die beiden in ihrem Sport aber doch. „Seit ich klein bin, wollte ich schon immer mal zu den Olympischen Spielen. Dafür würde ich sogar meine Hand ins Feuer legen, wenn ich dadurch einmal bei Olympia spielen könnte“, verrät Annabella Sterzik ihren großen Traum. „2022 bin ich 18 – da wird es noch knapp. Aber 2026 könnte es klappen.“

Xenia Merkle ist bei der Formulierung ihrer Ziele etwas zurückhaltender: „Mein nächstes Ziel ist jetzt erstmal, mit den Mad Dogs Mannheim Deutscher Meister zu werden. Olympia ist ein Traum, aber das ist nochmal eine Nummer größer. Und ob wir uns diesen Traum erfüllen können, hängt auch davon ab, ob sich Deutschland überhaupt qualifiziert. Aber dazu können wir ja hoffentlich selbst beitragen.“

Vladi Grof jedenfalls traut beiden zu, dass sie sich diesen Traum erfüllen können – „wenn sie weiterhin hart arbeiten“.